: Vom Tornado in den Hurrikan
■ Bundestag sagt Ja zur Entwicklung des „Jäger 90“, des teuersten Waffensystems seit Bestehen der Bundeswehr / Finanzbedarf bis zur Auslieferung: 43 Mrd. Mark für 200 Flugzeuge / Wie defensiv ist „Jäger 90“?
Von Andreas Zumach
Berlin (taz) - Mit der Mehrheit der Koalitionsabgeordneten stimmten Haushalts– und Verteidigungsausschuß des Bundestages gestern der Entwicklung des „Jäger 90“ zu. Jagdflieger Wörners Lieblingsprojekt, noch kurz vor seinem Abgang nach Brüssel am 19.Mai durchgesetzt, ist bereits mit den veranschlagten, jedoch viel zu niedrig angesetzten 16,5 Milliarden Mark für 200 Flugzeuge das teuerste Waffensystem seit Bestehen der Bundeswehr. Gegen die Behauptung der Hardthöhe, es habe „ausschließlich defensive Funktionen“, sprechen eine Reihe von Indizien. Ein interner Bericht des Bundesrechnungshofes bezweifelt das den Abgeordneten vorliegende Zahlenwerk und bestätigt Kalkulatio nen von Friedensforschern, die bereits seit Jahren vorliegen. Danach steigt der Finanzbedarf bis zur Auslieferung der Flugzeuge 1996/97 auf mindestens 43 Milliarden Mark. 250 Exemplare, vom Finanzministerium vorübergehend auf 200 korrigiert, von der Luftwaffe aber nach wie vor verlangt, würden die Steuerzahler 52 Milliarden Mark kosten. Dieser Berechnung liegt eine jährliche Inflationsrate von lediglich 4,3 Prozent zu Grunde. Rüstungsspezifische Inflationsraten sind aller Erfahrung nach höher. Dazu kommen unkalkulierbare Kosten für noch zu entwickelnde Spezialmaterialien für das besonderen Belastungen ausgesetzte Kampfflugzeug. Weiterhin fehlen in den offiziellen Planungen die Ausgaben von mindestens fünf Milliarden Mark für die beiden Raketen typen, mit denen der „Jäger 90“ bewaffnet werden soll. Der veranschlagte Stückpreis pro Flugzeug lag ursprünglich unter 60 Millionen Mark. Die Kalkulationen des Bundesrechnungshofes ergeben bereits 83,2 Millionen. Der Tornado–Kampfbomber wurde Anfang der 70er Jahre auf zehn Millionen Mark veranschlagt und kostete schließlich pro Stück mehr als das Zehnfache. Der gemeinsam mit Spanien, Italien und Großbritannien entwickelte „Jäger 90“ ist offiziell nur für den Verteidigungs–Luftkampf mit angreifenden gegnerischen Flugzeugen vorgesehen. Für den Luft–Boden–Kampf spiele er nur eine Nebenrolle, behauptet die Hardthöhe. Der Verdacht, daß diese Rolle doch sehr viel bedeutender ist und dem „Jäger 90“ als Begleitflugzeug für den Tornado auch offensive „Deep–Strike“– Funktionen zukommen könnten, wird vor allem durch zwei Indizien genährt. Zum einen schweigt sich die Hardthöhe bisher über die Reichweite des „Jäger 90“ aus. Zum zweiten soll er mit 50 Kilometer weit reichenden Amram– Raketen aus US–Produktion ausgerüstet werden. Die Sozialdemokraten übten an dem Vorhaben harte Kritik. Der Abgeordnete Erwin Horn meinte, die Kosten seien viel zu hoch. Die Bundeswehr werde unter dieser Beschaffung so zu leiden haben, daß sie im nächsten Jahrzehnt nur noch bedingt einsatzbereit sein könne.
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