Vom Labour-Parteitag: Gnadenfrist für Gordon Brown
Wenn beim britischen Labour-Parteitag die Delegierten jetzt den unbeliebten Premierminister Gordon Brown stürzen würden, müsste sich sein Nachfolger mit der globalen Finanzkrise rumschlagen.
MANCHESTER taz Am Anfang versuchte er, einen Witz zu machen. "Ich bin nicht in die Politik gegangen, um prominent zu werden oder beliebt zu sein", sagte der britische Premierminister Gordon Brown gestern in seiner Rede auf dem Labour-Parteitag in Manchester und fügte hinzu: "Und das ist wohl auch besser so." Nein, beliebt ist Brown nicht, auch nicht in der eigenen Partei. Seine Rede sollte die Zweifler unter den Delegierten, aber auch unter den Wählern, überzeugen.
Es sprach immer wieder von Fairness, die es in der britischen Gesellschaft zu schaffen gelte, und von den Errungenschaften der Labour-Regierung in dieser Hinsicht. Ähnliches hatte er in seiner Parteitagsrede vor einem Jahr gesagt. Diesmal legte er konkrete Zusagen nach: Er versprach freie Betreuung für Kinder ab zwei Jahren, kostenlosen Internetanschluss für eine Million ärmere Familien, Nachhilfe für Grundschüler, die nicht lesen, schreiben oder rechnen können, kostenlose Medikamente für Krebserkrankte und 15 Milliarden Pfund für die medizinische Forschung.
Erwartungsgemäß nahm die globale Krise der Finanzmärkte in Browns Rede breiten Raum ein. Als Schatzkanzler, der er zehn Jahre lang war, sei er der einzige, der Großbritannien durch die Krise steuern könne, sagte er. Er wolle das "globale Finanzsystem auf der Basis neuer Prinzipien wieder aufbauen", sagte er. Heute reist er nach Washington, um sich mit der US-Regierung auf eine internationale Finanzaufsichtsbehörde zu einigen, doch ob das gelingt, ist fraglich.
Brown versucht jedenfalls, die Schwäche der Finanzmärkte zu seiner Stärke zu machen. Es sei in Anbetracht der globalen Krise nicht die Zeit für Neulinge, sagte Brown - und meinte damit beide Davids: den Tory-Chef David Cameron und den Labour-Außenminister David Miliband, der als aussichtsreichster Rivale Browns gehandelt wird.
Miliband hatte in seiner Rede am Montag - wie alle Redner auf dem Parteitag - ein Loblied auf Brown gesungen. Die Partei müsse ihren Fatalismus durch Hoffnung ersetzen, sagte er: "Lasst es uns mit Überzeugung sagen: Diese Tories sind besiegbar." Dafür bekam er stehende Ovationen, auch wenn die Delegierten wussten, dass es ein "Pfeifen im dunklen Wald" war, wie einer es ausdrückte.
Milibands mit Spannung erwartete Rede erwies sich als dröge, was offenbar Absicht war. Die BBC berichtete, Miliband habe zu einem Kabinettskollegen gesagt, als er sich außer Hörweite wähnte, dass er publikumswirksame Passagen aus seiner Rede gestrichen habe, um Brown nicht die Show zu stehlen. Natürlich dementiert er das.
So konnte Brown seine Rede in dem Bewusstsein halten, dass die Eintracht, die er am Samstag beschworen hatte, zumindest für die Dauer des Parteitags halten würde. Seine innerparteilichen Gegner konnte er mit dieser Rede jedoch nicht für sich gewinnen. Es gelinge dem Premierminister nicht mehr, seine Botschaft deutlich zu machen, sagte ein Delegierter: "Die Menschen hören ihm nicht mehr zu."
Seine Gegener wünschen sich, dass er schon nach der kaum vermeidbaren Niederlage bei der Nachwahl im schottischen Glenrothes im November geht. Seine Anhänger wollen sie ihm Zeit bis zu den Europawahlen im kommenden Sommer geben. Beide Seiten scheinen sich aber einig zu sein, dass er die Partei auf keinen Fall in den Wahlkampf 2010 führen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!