: Vom Jahrhundertwerk zum Witz des Monats
■ Heute verabschiedet der Bundestag die Steuerreform- Gesetze 1998 und 1999. Vom großen Plan ist nicht viel geblieben
Das Ergebnis steht schon vor der Abstimmung fest: Der Bundestag wird heute mit der Mehrheit der Stimmen der Koalition die Steuerreformgesetze 1998 und 1999 beschließen. Sicher ist auch, daß der SPD-dominierte Bundesrat am 4. Juli die Steuergesetze scheitern lassen wird. In der Debatte werden die Koalitionspolitiker erwartungsgemäß den Vorwurf „Blockadepolitik“ am häufigsten gebrauchen und die Oppositionspolitiker den Vorwurf „unseriös“. Erst am 10. Juli könnte es wieder interessant werden, dann tagt der Vermittlungsausschuß. In vielen Fragen sind sich die Parteien nämlich nähergekommen.
Zu vier Steuergipfeln rangen sich die Spitzen von Opposition und Koalition durch, zahlreiche Kompromißangebote wurden ausgetauscht, ständig nahm die Kritik an den Steuerreformplänen der Koalition zu – und was ist dabei herumgekommen? „Viel haben wir nicht gerade durchgesetzt“, sagt ein Finanzexperte der SPD. Zwar hat die Koalition ihr Reformwerk zuletzt noch einmal geändert, doch geht es eher um kosmetische Korrekturen in Höhe von ein paar Milliarden Mark. So sollen Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge erst ab dem Jahr 2003 voll versteuert und die zunächst vorgesehene Besteuerung der Lebensversicherungen soll abgemildert werden. „Die sind nicht uns entgegengekommen, sondern zunächst den Sozialpolitikern in den eigenen Reihen“, meint Joachim Poß, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion.
Kompromißfähig scheinen die jüngsten Beschlüsse der Koalition zu sein, Steuervergünstigungen der Wirtschaft zu streichen. Die geplante Einschränkung, Verluste gegen frühere oder spätere Gewinne aufzurechnen, würde auch die SPD mittragen. Gleiches gilt für die Neuregelung, daß Rückstellungen der AKW-Betreiber nicht länger steuerfrei sind. Doch an solchen Einzelfragen wird sich die Zukunft der Steuerreform wohl kaum entscheiden. Die Knackpunkte sind die von der Koalition geplante Herabsetzung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 39 Prozent sowie die Finanzierung der Reform. Die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier hält es für „untragbar“, daß die Koalition die Gegenfinanzierung in Höhe von 45 Milliarden Mark offen lasse. Doch die Parteien sind weniger weit voneinander entfernt, als es scheint. Die finanzpolitische Sprecherin der CDU, Gerda Hasselfeldt, macht eine andere Rechnung auf. Im Entstehungsjahr der Steuerreform gebe es ein Defizit von 33,6 Milliarden Mark. Davon könnten noch etwa 15 Milliarden Mark durch die Umschichtung von direkten auf indirekte Steuern abgehen. Dazu kommt, daß die SPD in ihrem eigenen Konzept auf eine Gegenfinanzierung von 7,5 Milliarden verzichtet. Die größten Einigungschancen sehen beide Seiten bei der von der SPD zur Bedingung erklärten Senkung der Lohnnebenkosten. Streit wird es wohl auch nicht über die Absenkung des Solizuschlages geben. Aus der SPD heißt es: Die Einnahmen aus dem Soli kämen nur dem Bund zugute. Die SPD-Länder würden sich nicht querstellen. Doch die offiziellen Stellungnahmen lassen wenig Hoffnung auf eine Einigung zu. SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping schloß eine Einigung auf Grundlage der jetzigen Plänen der Koalition aus. Die SPD will ihre eigene Handschrift durchsetzen. Und diesmal, so heißt es, habe die Koalition kein Drohpotential wie bei der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 1997. Damals stimmte die SPD der Abschaffung der Vermögensteuer zähneknirschend nur deshalb zu, weil die Bundesländer sonst keine Kompensation durch eine höhere Erbschaftssteuer erhalten hätten. Markus Franz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen