Volt-Partei im Berliner Wahlkampf: „Politik ist kein Elitenprojekt“
Eine Stimme für Volt sei keine verschenkte Stimme, sagt Landeschefin Cara Seeberg. Man will den etablierten Parteien mehr auf die Finger hauen.
taz: Frau Seeberg, wie läuft der Wahlkampf?
Cara Seeberg: Ganz gut, trotz des Wetters, Windes und sonstigen Hindernissen. Ich bin ja Spitzenkandidatin für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf und im Wahlkampf vor allem in meiner Rolle als Volt-Landesvorsitzende unterwegs.
27, ist Landesvorsitzende von Volt und Spitzenkandidatin für die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf. Von Beruf ist die gebürtige Berlinerin Politikberaterin. Foto: 365 Sherpas
Verfolgen Sie auch das Kopf-an-Kopf-Rennen von der CDU, den Grünen und der SPD in den Umfragen?
Natürlich.
Wen würden Sie am liebsten an der Spitze von Berlin sehen?
Am liebsten würde ich natürlich Volt sehen!
Eine typische Politikerinnenantwort. Bei den 1,1 Prozent, die Volt bei den Wahlen 2021 hatte, außerdem wirklich unrealistisch.
Das ist uns natürlich klar. Wir haben auch nicht den Anspruch, direkt in Regierungsverantwortung zu kommen. Aber es wäre schön, wenn wir zumindest als Opposition oder als außerparlamentarische Opposition etwas mehr an Kraft gewinnen, um den etablierten Parteien mehr auf die Finger hauen zu können.
Was rechnen Sie sich für Volt auf Landesebene aus?
Wenn wir auf 1 Prozent kommen und damit die Parteienfinanzierung halten können, sind wir zufrieden. Alles drüber ist ein Geschenk. Wir würden uns sehr freuen und glauben auch, dass wir das verdient haben, aber das ist nichts, womit wir fest rechnen. Es besteht aber eine realistische Chance, dass wir in Mitte in die BVV einziehen, und vielleicht auch in Charlottenburg-Wilmersdorf.
Bisweilen hat man den Eindruck, Volt will sich nicht auf eine politische Richtung festlegen.
Das stimmt nicht. Wir sagen aber, dass Politik etwas sein muss, das von Bürger*innen verstanden und auch mitgestaltet werden kann. Politik darf nicht zum Elitenprojekt verkommen, wie das teilweise geschieht. Was vielleicht für manche ein Problem ist, ist, dass wir nicht nur grün sind und nicht nur liberal und auch nicht nur sozial.
Was heißt das konkret?
Wir vereinen Themenblöcke. Beim Klimawandel und Klimaschutz haben wir eine sehr starke grüne Position und gehen da sogar auch noch weiter als die Grünen, weil wir auch „Klima Neustart 2030“ unterstützen. Wir fordern auch einen noch früheren Kohleausstieg und eine frühere CO2-Neutralität als die Grünen.
Das freut mich sehr, aber ich hätte mir das schon eher gewünscht.
Gibt es denn für Volt noch andere Themen außer Klimapolitik?
Durchaus. Beim Thema sozialer Wohnungsbau sind wir stark engagiert und wünschen uns, dass wir da gerade auch in Berlin noch weiter voranschreiten. Wir sind zum Beispiel dafür, das Tempelhofer Feld am Rand zu bebauen. Nicht mit irgendetwas, sondern mit Sozialwohnungen. Und wir wollen auch Kiezblocks …
… Wohngebiete ohne Durchgangsverkehr.
Prinzipiell wünschen wir uns eine Lösung so ähnlich wie in Barcelona, um den Kiez lebenswerter zu machen. In Berlin gibt es da ja bereits verschiedene Initiativen. Ansonsten wünschen wir uns ganz konkret, dass das Wahlalter für alle Wahlen – auch für das Abgeordnetenhaus – auf 16 Jahre herabgesetzt wird. Ferner fordern wir auch eine Senatsverwaltung für Digitalisierung. Gerade in Berlin haben wir viele Probleme, die man durch eine Digitalisierung der Verwaltung lösen könnte. Und wir sprechen uns auch für mehr Start-up-Förderung aus.
Wer ist Ihre Zielgruppe?
Wir sprechen viele jüngere Leute an, ab 20 bis 35 haben wir eine große Wählergruppe und dann die Altersgruppe ab 60 bis 75. Das Europa-Thema schlägt sich vor allem bei diesen beiden Generationen nieder, das ist sehr interessant: Europa als Friedensprojekt, das ist die Generation 60 plus und die Jüngeren sind die Generation Erasmus.
Volt hat sich 2017 gegründet, zunächst als Europapartei.
Genau deswegen gibt es uns. Wir möchte natürlich auch gern anderen Wählergruppen erklären, warum Europa für Berlin wichtig ist. Dass es anderswo in Europa schon Lösungen gibt für Probleme, die wir in Berlin haben. Warum die nicht einfach mal hier nutzen?
Was sagen Sie Leuten, die Angst haben, ihre Stimme zu verschenken, wenn sie Volt wählen? Gerade jetzt, wo die großen Parteien so dicht zusammenliegen?
Das höre ich natürlich oft auf der Straße. Ich verstehe die Sorge, aber so wird sich nie etwas ändern. Wenn alle so denken, würden wir immer dieselben Koalitionen haben. Immer dieselben drei oder vier Parteien. Dieses Argument überzeugt die meisten Leute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend