piwik no script img

Vollgeld-Initiative in der SchweizDie Banken entmachten

Kommentar von Christian Felber

Eine Vollgeld-Reform würde Geld- und Finanzsystem trennen. Der Gewinn aus der Geldschöpfung ginge an die Allgemeinheit. Die Schweiz entscheidet.

Noten und Münzen machen heute nur noch 10 Prozent der Geldmenge aus Foto: David-W/photocase

D er Schweizer Bankenverband läuft gerade Sturm gegen eine Volksinitiative zur Reform des Geldsystems, die am 10. Juni von der Bevölkerung abgestimmt wird. 144.000 Bankangestellte erhielten eine zweiseitige Liste von Argumenten – gegen die „Vollgeld-Reform“. Diese zielt auf eine Reform des Geldschöpfungsprozesses, die international immer mehr Anhänger gewinnt: Alles Geld soll von der öffentlichen Zentralbank ausgegeben werden – als Geschenk an Staat und BürgerInnen oder als Kredit an die Geschäftsbanken.

Nanu, ist das denn heute nicht schon genau so? Einer Umfrage in Großbritannien zufolge sind 84 Prozent der Bevölkerung fest dieser Meinung, 90 Prozent lehnen eine Reform ab, die das Recht auf Gelderzeugung den privaten Geschäftsbanken überlassen würde. Was die Befragten nicht wussten: Das ist heute der Fall. Aber wie kann das sein, wenn schon im 19. Jahrhundert eigens Zentralbanken geschaffen wurden, um das Monopol der Geldausgabe auszuüben – weshalb sie auch Notenbanken heißen?

Der Grund: Bargeld – Noten und Münzen – machen heute nur noch rund 10 Prozent der Geldmenge aus, die wir als Zahlungsmittel verwenden. Fast 90 Prozent des Geldes ist „unbar“ und nur auf Girokonten verbucht. Letzteres kommt zu 100 Prozent von den Geschäftsbanken – und nicht von der Zentralbank, wie die Mehrheit glaubt.

Wie schaffen die Geschäftsbanken „Giralgeld“? Indem sie einen Kredit vergeben. Anders, als viele Menschen glauben, ist „Sparen“ nicht die Voraussetzung für die Kreditvergabe, sondern Kredite werden grundsätzlich „aus dem Nichts geschaffen“, indem eine Forderung gegen die KreditnehmerIn auf der Aktivseite der Bankbilanz gebucht wird und auf der Passivseite ein gleich hohes Guthaben auf dem Girokonto der KreditkundIn. Wird der Kredit verwendet (etwa für den Kauf eines Autos), wird der Geldbetrag zwar vom Girokonto überwiesen, auf das Konto der AutohändlerIn, doch wenn diese – um es einfach zu halten – das Geschäftskonto bei der gleichen Bank hat, muss die Bank den Kredit nicht weiter „refinanzieren“. Die Bankbilanz hat sich durch den Kredit aber „verlängert“, die Geldmenge ist gewachsen: Geldschöpfung, wie sie heute üblicherweise funktioniert.

Christian Felber

Mitgründer von Attac in Österreich, initiierte die Gemeinwohl-Ökonomie und das Projekt Bank für Gemeinwohl. Mehrere Bücher, zuletzt „Ethischer Welthandel. Alternativen zu TTIP, WTO & Co.“. Er ist Fellow am IASS in Potsdam und unterrichtet „Global Challenges“ an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.

Die „Refinanzierung“ des Kredits erfolgt über Sichtguthaben auf Girokonten. Diese sind sehr gering oder gar nicht verzinst, womit die Bank mit Krediten ein günstiges Geschäft machen kann – günstiger jedenfalls, als wenn sie sich die Kreditsumme zuerst von Sparern, einer anderen Bank oder der Zentralbank leihen müsste. Die Differenz – Zinsen für Girokonten versus Zinsen für Sparkonten oder Interbankenkredite – sind der „Geldschöpfungsgewinn“ für private Geschäftsbanken. In Summe sind es viele Milliarden und eine Erklärung für die überdurchschnittliche Profitabilität des Bankensektors.

Am 10. Juni stimmen die Eidgenossen über eine Reform des Geldsystems ab. Der Bankenverband läuft Sturm

Hier setzen die Vorschläge für eine Geldreform an: Geld ist eine öffentliche Infrastruktur, deshalb sollte alles Geld, alle Zahlungsmittel, von der öffentlichen Zentralbank ausgegeben werden und der Geldschöpfungsgewinn der Allgemeinheit zugutekommen. Die wichtigsten Argumente:

1. Mit der Reform würden Geldinfrastruktur (Ausgabe von Geld) und Finanzdienstleistung (Vergabe von Krediten) getrennt, das Geldsystem wäre öffentlich, das Finanzsystem überwiegend privat.

2. Da Girokonten aus den Bankbilanzen ausgelagert würden, wären die auf ihnen geführten Guthaben nicht mehr ein Kredit der BankkundInnen an die Bank, sondern vollwertiges gesetzliches Zahlungsmittel im Besitz der BankkundInnen. Derzeit sind Girokontoguthaben weder gesetzliches Zahlungsmittel (das sind nur Zentralbanknoten und Münzen) noch im Besitz der KundInnen. Sie sind im Besitz der Bank und deshalb im Fall einer Insolvenz ausfallgefährdet.

3. Banken erzeugen nach einer Vollgeldreform bei der Kreditvergabe nicht gleichzeitig Geld. Sie können nur noch dann Kredite vergeben, wenn sie zuvor Vollgeld (Zentralbankgeld) in Form von Sparanlagen des Publikums, Interbankenmarktkredite oder direkt von der Zentralbank organisiert haben. Volkswirtschaftlich würde der Zusammenhang zwischen Sparen und Investieren enger.

4. Banken könnten nicht mehr via Geldschöpfung (Buchung eines Guthabens auf ein Girokonto) Wertpapiere ankaufen, seien es Aktien, Immobilien(derivate) oder Staatsanleihen. Banken müssen Vollgeld besitzen, bevor sie Wertpapiere kaufen können. Damit wird den Banken ein wichtiger „Hebel“ zur Aufblähung von Spekula­tionsblasen aus der Hand genommen.

5. Dank der Reform könnten die prekären Staatsfinanzen in der Eurozone saniert werden. Einerseits im Zuge der Umstellung, in der die von den Geschäftsbanken geschöpfte Giralgeldmenge so umgebucht würde, als wäre sie ursprünglich von der Notenbank geschöpft worden. Der entgangene Geldschöpfungsgewinn könnte so im Nachhinein erzielt, von der Zentralbank an den Staatshaushalt ausgeschüttet und zur Reduktion der Staatsschulden verwendet werden (alternativ zur Senkung der Steuern). Darüber hinaus käme die Allgemeinheit Jahr für Jahr in den Genuss des Geldschöpfungsgewinns, wenn die Zentralbank zusätzliches Geld in Umlauf bringt, was den Staatshaushalt weiter spürbar entlasten könnte.

Nicht ganz zufällig kam die EU-Kommission jüngst auf ähnliche Gedanken. Sie schlug vor, dass die Europäische Zentralbank zumindest die Hälfte des Gewinns aus dem Drucken von Banknoten in den EU-Haushalt leiten könnte. In der Finanzperiode 2021–27 wären das 56 Milliarden Euro. Der Zusammenhang zwischen Geldschöpfung und Staatshaushalt weckt also nicht nur in der Schweiz Interesse. Bisher haben sich die Parlamente in Island, Holland und Großbritannien mit der Vollgeldreform auseinandergesetzt. In der Schweiz läuft die gesamte Elite Sturm gegen das innovative „Experiment“. Möge es gelingen!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Die Vollgeldidee klingt für den Laien gut, ist aber für den Profi ziemlich hanebuechen. In der Praxis wird sich nichts ändern, ausser dass die Kosten der Kreditvergabe steigen würden. Schön heute ist die Sicherheit des Giralgeldes der facto durch Sicherungsfonds gewaehrleistet (zumindest in Deutschland).

     

    Viel Lärm um nichts.

    • @Sven :

      Da sind sie falsch informiert! Lesen sie die Bestimmungen !



      1. Sind die einzelnen Banken nur bis zu einem bestimmten betrag, welcher von der Höhe des Eigenkapitals abhängig ist, abgesichert.

      Und!

      2. Es existiert KEIN RECHTSANSPRUCH!! DARAUF !!!



      womit das alles hinfällig wird sobald ECHTE Pro bleme auftreten!!!! Mit ihren Worten ist der Einlagensicherungsfonds "viel Lärm nichts"

      Und nebenbei ist das "verzinste Schuldgeldsystem "bzw. Die "mutiple Geldschöpfung" der Ursprung und die Basis ALLEN Übels auf der Welt von Klimawandel über Obdachlosigkeit bis Flüchtlingen (welche in Wahrheit vor dem verzinsten Schuldgeldsystem fliehen ohne es zu wissen)

      Leider haben die Schweizer diesen historischenSchritt zu einer besseren Welt verpasst....

  • Gratuliere der Schweiz zu ihrer Kompetenz zu "Geld"!

    Ich habe in internationalen Finanzmanagement Seminaren gelernt, die Schweizer Berge seien nichts anderes als aufgehäuftes Geld. Sie verstehen was Geld bedeutet!

    Geld ist ein Versprechen, einmal reale Güter dafür zu erhalten. Eine alte Tontafel aus Babylon zeigt ein solches Versprechen: "drei Krüge Bier für einen Tag Arbeit" (Peter Sloterdiyk Oper Babylon Programmheft).

    Die Landes Zentralbank hat mir einmal erklärt wie Geld entsteht: "Wenn wir Geld brauchen, nehmen wir einen Zettel Papier, schreiben eine Zahl darauf, dann haben wir das Geld":

    ergo: Daß der Geld-Schein mehr wert ist als er ist, ist bedenkenswert bzw. bedenklich! Cogito ergo zum!!

  • Kapitalismus hat seine Wertebindung (Investition, Wirtschaftskreislauf) zugunsten einer monetären Schuldenanbetungspirale (Kreditschöpfung) längst aufgegeben. Schulden die im Bankensystem entstehen, entstehen nicht beim Kreditnehmer, sie müssen übertragen werden. Das Vollgeldsystem verlangt nach einer geldwerten Deckung für Finanzaktivitäten, dann können wir das gleich bleiben lassen. Fehler ist, daß Zocker nicht zur Verantwortung gezogen werden, dafür jeder Habenichts mit 5000facher Schuldenüberlastung den Tag durchbringt. Darauf sollte man sich konzentrieren.

  • Zur "Kreditverlängerung" können sich Banken auch gegenseitig Geld leihen.

    Der eigentliche Vorgang der Kreditschöpfung basiert auf der Summe der Giroeinlagen von Privatkunden plus der Kredite von Partnerbanken. Bank A hat Kredit bei Bank B und Bank B hat Kredit bei Bank A

    Das war auch das Kernproblem der Bankenkrise von 2008: die Banken trauten sich gegenseitig nicht mehr, liehen sich kein Geld mehr, was zu "Bank Run" (wie übrigens 2015 in Griechenland von der EZB gezielt provoziert) und damit zu einer Kette von Banken Crashs hätte führen können. In den USA ist das ja passiert, ausgehend von Lehmann. Merkel hat faktisch mit leerem Blatt gepokert, als sie versprach, für die Bankguthaben zu bürgen.

    Bernd Senf beschreibt dies eingehend in seinem Buch "Der Nebel um das Geld "

    Faktisch sind Banken heute Inkasso Büros in Nadelstreifen. Sie verleihen "Geld" aus dem Nichts und treiben es nachher wieder ein...

    Überträgt man das auf die Griechenland-"Rettung", dann wird das geradezu absurd: Merkel und die Troika hat den maroden deutschen und französischen Banken "Luftkredite" mit harter Währung "abgekauft"

  • 4G
    44827 (Profil gelöscht)

    Das kapitalistische System beutet die Welt aus, ökonomisch wie ökologisch.

    Banken fluten die Welt mit Schuldverschreibungen auf die Zukunft.

    Im Zentrum steht die Illusion, dass reale Ressourcen so beliebig zur Verfügung stehen, wie die imaginären Werte in den Computern.

    Und der Zaubertrick der Giralgeldschöpfung ist der unsichtbare Geist dieses Systems.

  • Guter Artikel. Dieses Vollgeld-Reform ist interessant. Auch wenn Rechte wie der Volkslehrer dies auch propagieren. Das heißt nicht, dass es schlecht ist.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein höchst informativer Artikel, der einem in Finanzdingen eher unbedarften Menschen wie mir Grundlagen für ein solides Halbwissen geliefert hat. Wenn eine so genannte Elite schon Sturm läuft, muss an der Sache etwas Gutes dran sein. Hop Schwyz!

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Besser hätte ich's auch nicht ausdrücken können. Danke.

      Allerdings-"Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt". Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Banken da einfach so mit machen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @SixT8:

        Das ist der Unterschied zwischen Hoffnung und Realitätssinn: Der Realitätssinn meint, "es wird doch eh nix." Die Hoffnung hingegen sagt: "bitte, bitte, lass es geschehen."

         

        Und immerhin hat Katja Ebstein schon vor vielen Jahren gesungen: "Wunder gibt es immer wieder."

         

        Die Welt braucht Wunder. Bitternötig.

  • Die TAZ sollte nicht nur die Vorteile, sondern auch die gravierenden Nachteile auflisten. Weil die aber im Artikel fehlen, hat man den Eindruck, der Finanzsektor der ganzen Welt besteht nur aus kompletten Idioten.

    • @Karl Bauer15:

      Tja...

      Loriot würde sagen: Das ist fein beobachtet!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Karl Bauer15:

      Diesen Eindruck teile ich nicht. Der Finanzsektor besteht vor allem aus Menschen, die wissen, wie sie ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Zu Lasten derjenigen, die Geld brauchen. Ohne Rücksicht auf Verluste.

       

      Das ist keine Idiotie, sondern Schmarotzertum.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ach, du lieber Gott, echt jetzt? Der Finanzsektor der ganzen Welt besteht aus lauter Schmarotzern? Glauben Sie das wirklich?

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Karl Bauer15:

          Aus Wohltätern etwa? Ich kenne Ihre Erfahrungen mit Banken nicht. Meine reichen mir.

           

          Georg Schramm hat alles zu den Geldverleihern gesagt.

        • @Karl Bauer15:

          Was sonst? Ich hatte nie den Eindruck, dass das anders sein könnte!