Volkszählung: Schweigen kostet 300 Euro
Im Mai nächsten Jahres werden die Deutschen gezählt. Die Statistikämter im Norden beginnen jetzt bereits ihre Imagekampagne für den "Zensus 2011". Denn Widerstand gegen die Ausforschung formiert sich bereits.
In Hamburg oder Bremen wird es nur etwa 4,4 Prozent der Einwohner treffen, in den Flächenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein hingegen ungefähr jeden Zehnten. Es besteht Auskunftspflicht beim Zensus 2011, wie die Volkszählung im nächsten Jahr heißt. Wer sich weigert, muss mit "abgestuften Maßnahmen" rechnen - beginnend mit der freundlichen Erinnerung, in hartnäckigen Fällen mit einem Zwangsgeld endend.
Bis zu 5.000 Euro könnten das sein, realistischer seien aber eher um die 300 Euro, sagen die Statistiker, die am Freitag ihre Imagekampagne für den Zensus im Norden starteten. Auf einem halbtägigen Journalisten-Workshop in Hamburg bemühten sich VertreterInnen des Statistischen Bundesamtes sowie der Statistischen Landesämter der fünf norddeutschen Küstenländer um Sympathiewerbung für den Blick in die Lebenswelten der BürgerInnen.
"Wir brauchen den Zensus", sagte Johann Szenzenstein vom Statistischen Bundesamt, "um die genauen Einwohnerzahlen zu ermitteln". Denn die wiederum seien wichtig für den Länderfinanzausgleich, die Einteilung von Wahlkreisen oder sämtliche kommunalen Planungen wie Straßen, Schulen oder Wohnungen.
Dafür sollen die Befragten privateste Details bekanntgeben. Einzig die Frage nach der Religion muss nicht beantwortet werden, alles andere schon. Art der Lebensgemeinschaft, Wohnsitz, Migrationshintergrund, Ausbildung oder Arbeitsstelle müssen "genau" beschrieben werden, wie es in den Erläuterungen heißt: "Zum Beispiel Blumenverkäufer/-in (nicht: Verkäufer/-in)".
Stichtag der Erhebung ist der 9. Mai 2011. Die Erhebungen und Hausbesuche der Interviewer erstrecken sich allerdings über eine längeren Zeitraum, erste Informationen und Unterlagen werden bereits ab Ende dieses Jahres verschickt. Die Fragebögen können per Post zurückgeschickt werden, auch das Ausfüllen im Internet ist möglich.
Wer das nicht tut, muss mit dem Besuch wissbegieriger VolkszählerInnen rechnen. Diese müssten "rechtschaffen und vertrauenswürdig sein", versichert Annette Olbrisch vom gemeinsamen Statistikamt für Hamburg und Schleswig-Holstein. Zudem seien sie "zur Verschwiegenheit verpflichtet und werden nicht in der Nachbarschaft eingesetzt", um die Anonymität zu sichern.
Vornehmlich würden, darauf weist Szenzenstein mehrfach hin, schon vorhandene Melderegister statistisch ausgewertet. Nur um an Daten heranzukommen, die auf diesem Weg nicht erhoben werden könnten, würden Hausbewohner in zufällig ausgewählten Straßenzügen auch noch direkt befragt. Beim Thema Migration geht die Neugier jedoch über den von der EU vorgegebenen Fragerahmen hinaus. Unter anderem soll angegeben werden, woher die Eltern eines Deutschen mit ausländischen Wurzeln stammen. Dies sei jedoch durch einen Beschluss des Deutschen Bundestages abgesegnet.
Die Daten würden, so betonen die Statistiker, ausschließlich zu statistischen Zwecken erhoben und "niemals an Verwaltungen, Ämter oder Sozialbehörden weitergegeben". Das garantiere das so genannte "Rückspielverbot", welches den Datenaustausch mit anderen Einrichtungen untersage. Aus Sicht von Statistiker Szenzenstein ist das nur gut: "Das erhöht die Akzeptanz und die Ehrlichkeit der Antworten."
Deshalb habe der Zensus 2011 mit dem Versuch einer flächendeckenden Volkszählung 1987 in der Bundesrepublik rein gar nichts zu tun, versichern die Statistiker. Diese führte wegen der hohen Zahl von Datenverweigerern, die den Weg in den Überwachungsstaat nach Orwells Big-Brother-Modell fürchteten, zu vielen eher zweifelhaften Ergebnissen. Solche Bedenken sollen deshalb schon im Vorweg mit der Imagekampagne, die in diesem Monat noch in sechs weiteren deutschen Städten durchgeführt wird, zerstreut werden.
Denn Widerstand gegen die Volkszählung gibt es bereits. So haben mehr als 12.000 Menschen eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Auch Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert bezweifelt den Sinn des Zensus.
Die Einschätzung, dass Bund, Länder und Gemeinden auf exakte Daten angewiesen seien, vermag Weichert nicht zu teilen. Seiner Meinung nach beruhen politische Fehlplanungen "nicht auf fehlenden Daten, sondern auf der falschen Bewertung vorhandener Daten".
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