Volksentscheid: Zwei Kreuze gemacht
Der Senat legt die Abstimmung über das Tempelhofer Feld mit der Europawahl zusammen.
Am 25. Mai wird es zum ersten Mal in der Berliner Geschichte zeitgleich mit einer Parlamentswahl einen Volksentscheid geben. Der rot-schwarze Senat beschloss am Dienstag, dass die fast zweieinhalb Millionen Berliner Wahlberechtigten an diesem Tag der Europawahl auch über die Zukunft des Tempelhofer Feldes entscheiden können. Das hatten die Bürgerinitiative „100 % Tempelhofer Feld“, die eine vom Senat geplante Randbebauung ablehnt, und die Opposition im Abgeordnetenhaus gefordert. Sie versprechen sich davon eine höhere Beteiligung. Auch die SPD-Fraktion warb für diesen Termin. Der Senat hatte aber bisher offen gelassen, ob er sich dieser Haltung anschließt.
Die bisherigen vier Volksentscheide hatte der Senat auf Sonntage ohne Wahlen gelegt. In mindestens zwei Fällen wäre das nach Ansicht von Kritikern anders möglich gewesen, unter anderem beim jüngsten Volksentscheid am 3. November zum Thema Energie. Das Abstimmungsgesetz schreibt lediglich verbindlich vor, dass es binnen vier Monaten nach einem erfolgreichen Volksbegehren einen Volksentscheid geben muss. Diesen Zeitraum kann die Landesregierung nach eigenem Ermessen auf acht Monate verlängern, falls in dieser Zeit eine Wahl ansteht.
Beim Energie-Volksentscheid galt die CDU, die kein sonderliches Interesse an einem landeseigenes Stadtwerk hatte, als treibende Kraft hinter dem Termin jenseits der Bundestagswahl. Beim Tempelhofer Feld hätten dem Vernehmen nach Kräfte in der SPD gerne eine Zusammenlegung vermieden, konnten aber offenbar keinen plausiblen Grund finden. Naheliegend ist auch, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wegen der Steueraffäre seines zurückgetretenen Kulturstaatssekretärs nicht durch einen anderen Termin zusätzliche Kritik provozieren wollte.
„Es war eine Frage der Praktikabilität“, sagte Senatssprecher Richard Meng am Dienstag. Beim Energie-Volksentscheid hätten „zwingende Gründe“ und Fristen dagegen gesprochen, die Abstimmung mit der Bundestagswahl zusammenzulegen. Meng kündigte an, man werde „sehr offensiv“ für ein Nein zu der Forderung nach null Bebauung werben. „Es geht darum, ob wir 100 Prozent Stillstand wollen oder nicht“, sagte er.
Meng betonte, die Terminauswahl sei „kein Votum dafür, immer Wahltage zu nehmen“. Diese Forderung hatten zu Wochenbeginn in der taz die drei Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus erhoben. Die Initiative „100 %Tempelhofer Feld“ begrüßte die Entscheidung des Senats: „Durch die gleichzeitige Durchführung des Volksentscheids und der Wahl wird eine hohe Wahlbeteiligung erwartet.“ Ihre Kampagne dazu soll voraussichtlich Anfang April starten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands