Volksentscheid in Berlin: "Pro Reli" stört Reli-Unterricht

Sollte der Volksentscheid Erfolg haben, wäre das wohl das Aus für manchen Religionsunterricht, der bisher an Berlins Schulen erteilt wird. Denn es fehlt auf lange Sicht an qualifizierten LehrerInnen

Gewinnt Pro Reli, könnte es mit islamischen Reliunterricht in Berlin vorbei sein Bild: AP

Ein "Ja" für den Volksentscheid "Pro Reli" könnte zu einem "Nein" für manche der bislang erteilten Religionsunterrichte werden. Denn sollte der Gesetzentwurf, der bei dem Volksentscheid am 26. April zur Abstimmung steht, in Kraft treten, müssten nicht nur neue Lehrpläne für die dann im Rahmen des staatlichen Unterrichtsangebots erteilten Bekenntnisfächer erarbeitet werden. Es würden auch andere Anforderungen als bisher an die LehrerInnen gestellt. Beides würde Religionsgemeinschaften, die an Berliner Schulen bereits Unterricht erteilen, vor erhebliche Schwierigkeiten stellen.

Pro Reli will den bislang auf freiwilliger Basis und von den Religionsgemeinschaften selber erteilten Reli-Unterricht zum ordentlichen Unterrichtsfach machen, das als Wahlpflichtfach alternativ zum weltanschaulich neutralen Fach Ethik angeboten wird. Dies wird bisher als Pflichtfach in den Klassen sieben bis zehn erteilt. Sollte Pro Reli Erfolg haben, müsste das Angebot auf alle Jahrgangsstufen ausgedehnt werden. Auch die verschiedenen Konfessionsunterrichte müssten während der gesamten Schulzeit zur Wahl stehen. Das hieße, dass erheblich mehr LehrerInnen als bisher zur Verfügung stehen müssten. Auch für Ethik: Denn LehrerInnen für dieses Fach gibt es bislang an den Grundschulen nicht. Zudem müssten die Lehrkräfte für den Religionsunterrichts anders als bisher eine staatliche Lehrerlaubnis haben.

"Wir haben bislang überhaupt nur vier LehrerInnen, die über eine staatliche Lehrerlaubnis und die Zusatzqualifikation für alevitischen Unterricht verfügen", sagt Devrim-Deniz Nacar, Generalsekretärin des Kulturzentrums Anatolischer Aleviten Berlin (AAKM). 128 Kinder besuchen derzeit dessen Religionsunterricht, der nur an Grundschulen angeboten wird. Auch die Islamische Föderation Berlin (IFB) unterrichtet bislang nur an Grundschulen. Knapp 4.600 Kinder nehmen an dem islamischen Religionsunterricht teil. Staatlich ausgebildete Fachlehrer hat die IFB ebensowenig wie das AAKM: Entsprechende Ausbildungen gibt es an deutschen Hochschulen bislang nicht.

"Wenn Pro Reli so durchkommt, wird es jedenfalls formal schwierig", sagt deshalb Thomas Duveneck, Jurist und Referent in der Senatsbildungsverwaltung: "Man muss sich überlegen, was man in einer Übergangsphase macht." Der Gesetzentwurf von Pro Reli sehe allerdings keine solche Phase vor. Rein juristisch betrachtet, so Duveneck, gelte deshalb: "Wenn er so beschlossen wird, tritt er ohne Übergangsregelung in Kraft."

Während manche Unterstützer von Pro Reli die damit gegebenen Einschränkungsmöglichkeiten für den Islamunterricht als durchaus erwünschten Nebeneffekt ansehen, will der Senat dies allerdings nicht hinnehmen: "In einer Stadt, in der es so viele Muslime gibt, braucht man ein solches Angebot", sagt Duveneck. Man werde sich deshalb Übergangslösungen einfallen lassen müssen. Wie die gestaltet sein könnten, hänge davon ab, wie die Gespräche mit den Glaubensgemeinschaften verliefen. Denn eine Voraussetzung für Übergangsregelungen sei, dass es sich um eben solche handele.

Dass diese Gespräche nicht einfach werden, steht fest. Denn der Plan des Senats, im Falle eines Erfolgs von Pro Reli islamischen und alevitischen Religionsunterricht zu vereinen, stößt auf Ablehnung: "Wir sind eine eigenständige Religionsgemeinschaft", sagt AAKM-Generalsekretärin Nacar. Dafür werde man notfalls auch gerichtlich kämpfen. Zuvor jedoch unterstützen die Aleviten die Gegner von Pro Reli, Pro Ethik. Nicht nur, um den drohenden Problemen aus dem Weg zu gehen, so Nacar: "Die bisherige Regelung ermöglicht beides: Die eigene Religion und im Fach Ethik andere Werte und Denkstrukturen kennenzulernen." Auch die IFB hat ihre frühere Unterstützung für Pro Reli längst zurückgezogen: Man wolle nicht "Spielball fremder Interessen" sein, so Burhan Kesici.

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