Volksbegehren in Thüringen: Dampf für Althaus
Das Volksbegehren für "Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen" setzt die CDU-Landesregierung unter Druck. Die Opposition nimmt es zum Anlass, in den Wahlkampf einzusteigen.
BERLIN taz Knapp wird es werden, wenn am Samstag, 24.00 Uhr in Thüringen das Volksbegehren für mehr direkte Demokratie auf kommunaler Ebene endet. Bei 200.000 Unterschriften ist das Volksbegehren von Erfolg gekrönt und der Landtag muss sich mit dem Gesetzentwurf befassen; der letzte Stand am Donnerstag wies 192.000 aus. Der Kern des Volksbegehrens besteht darin, die Hürden bei Bürgerbegehren von derzeit 13-15% auf 7% und bei Bürgerentscheiden um 5%-10% zu senken. Außerdem sollen die Bürger bei deutlich mehr Themen als bisher mitentscheiden dürfen.
Bereits seit knapp drei Jahren kursiert dieser Gesetzentwurf in Thüringen; der Landtag verhandelte allerdings zwei Jahre, ohne zu einemErgebnis zu gelangen.
Deswegen wurde wieder das "Bündnis für Mehr Demokratie", bestehend aus 19 Organisationen, unter anderem den Oppositionsparteien SPD und Die Linke, aktiv. Dieses hatte bereits im Jahr 2000 erfolgreich ein Volksbegehren in Thüringen gestartet, welches eine Reform der direkten Demokratie auf Landesebene erwirkte. "Jetzt möchten wir dafür sorgen, dass die Menschen auch kommunal viel besser mitgestalten können", erklärt der Sprecher des Bündnisses, Ralf-Uwe Beck. Thüringen bilde momentan bezüglich direkter Demokratie auf kommunaler Ebene das Schlusslicht unter den Bundesländern, lediglich 69 Bürgerbegehren seien seit 1994 initiiert worden. Vorbild sei hier Bayern, in dem direkte Demokratie auf kommunaler Ebene sehr gut funktioniere (1750 Bürgerbegehren im gleichen Zeitraum). "Unser Gesetzentwurf sieht vor, die Hürden sowohl bei Bürgerbegehren als auch beim Bürgerentscheid deutlich zu senken. Außerdem sollen die Menschen auch über Themen wie Bauleitplanungen, Vermögensfragen oder Satzungen Mitspracherecht besitzen."
Seit dem 20. März sammelt das Bündnis nun in Thüringen Stimmen. Neben den vielen ehrenamtlichen Helfern auch ein willkommener Anlass für die beiden Spitzenkandidaten der Oppositionsparteien, Christoph Matschie (SPD) und Bodo Ramelow (Die Linke), direkt in den Wahlkampf einzusteigen. Natürlich betonen beide unisono, dass ihr Primärziel darin bestünde, für ein anderes Politikverständnis zu kämpfen und dem Bürger mehr Beteiligung einzuräumen. "Für mich ist das die Frage, wie wir mit dem Erbe von 89 umgehen", so Matschie.
Nichtsdestoweniger liegt der kommende Wahlkampf (Landtagswahlen im Herbst 2009) trotzdem in der Luft und bestimmt die Atmosphäre des Volksbegehrens. "Da hat sich aber die CDU selbst hineinmanövriert", argmuntiert Matschie. Deutlich kämpferischer gibt sich Bodo Ramelow von der Linkspartei: "Ich sehe das Ganze als Grundmisstrauensantrag gegen die Haltung der Landesregierung. Die CDU wirkt fehlstrukturiert und machtverliebt." Ramelow moniert insbesondere, dass die CDU im laufenden Verfahren einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht habe. Dieser sieht auch vor, die Hürden zu senken. Allerdings sollen Unterschriften nicht mehr auf der Straße gesammelt werden dürfen; Bürger, die ihre Stimme abgeben wollen, müssen sich dazu auf ein Amt begeben. "Das führt die Leute nur an der Nase rum, die CDU will sich damit vor dem Volk schützen", meint Ramelow dazu. "Für die Amtsstubensammlung kenne ich weltweit kein Beispiel", ergänzt Sprecher Beck.
Ministerpräsident Althaus verteidigte gegenüber der taz den Gesetzentwurf : "Die Amtsstubensammlung sichert, dass Bürgerinnen und Bürger gezielt zum jeweiligen Anliegen ihre Unterschrift leisten und diese nicht nebenbei abgeben." Zu einem möglichen Erfolg des Volksbegehrens wollte sich Althaus nicht äußern. Das Bündnis hält es für durchaus möglich, dass die CDU dann einlenkt. Denn sollte sie auf ihrer Haltung beharren, könnte der Volksentscheid zeitgleich zu den Landtagswahlen stattfinden und der alleinregierenden CDU weitere Stimmen kosten. "Die Stimmung in Thüringen ist gekippt", so Ramelow siegessicher.
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