Volksbegehren für besser Kitas: Bürgerrechtler zeigen Zähne
Fast 70.000 Berline haben für bessere Kindertagesstätten unterschrieben. Das Volksbegehren könnte ein Präzedenzfall werden für die Frage, ob das Volk dem Senat vorschreiben kann, 100 Millionen Euro auszugeben.
Das Volksbegehren zur Verbesserung der Berliner Kita-Qualität wird nicht nur den Berliner Kindern von Nutzen sein, sondern auch den Anhängerinnen und Anhängern von mehr direkter Demokratie in Berlin. Denn das Begehren wird klären, über wie viel Geld das Berliner Volk in direkten Volksentscheidungen künftig selbst bestimmen darf.
Mit dem Antrag zum Kita-Volksbegehren haben sich in einer ersten Stufe 66.181 Berlinerinnen und Berliner dafür ausgesprochen, insgesamt etwa 96 Millionen Euro mehr für bessere Betreuung in den Berliner Kitas auszugeben (taz berichtete). Das entspricht ca. 0,5 Prozent des Berliner Haushalts. Bei Summen in dieser Größenordnung wird immer wieder die Frage laut, ob das Volk dem Senat solch hohe Ausgaben vorschreiben darf. Die Haushaltspolitik ist eines der bestgeschützten Rechte der Parlamente. Darum wurden haushaltsrechtliche Bedenken häufig gegen die Zulässigkeit von Volksbegehren angeführt.
So hatte zuletzt im Jahr 2005 das Landesverfassungsgericht Berlin eine Beschwerde der Initiative Berliner Bankenskandal negativ beschieden. Die Initiative wollte durchsetzen, dass die finanziell weitreichenden Ziele ihres Volksbegehrens von der Berliner Politik berücksichtigt werden müssen. Das Gericht entschied, dass die Ziele des Volksbegehrens "wegen seiner erheblichen Auswirkungen auf die Budgethoheit des Parlamentes" nicht verfassungskonform seien. Damals ging es laut Gericht um 6,3 Milliarden Euro.
Doch seit diesem Urteil zum Bankenskandal-Begehren hat sich die Landesverfassung bezüglich der Zulässigkeit von Volksbegehren in einem wesentlichen Punkt geändert: Während bis 2006 Volksbegehren, die erhebliche Auswirkungen "auf den Landeshaushalt" hatten, unzulässig waren, sind laut Landesverfassung nunmehr nur noch direkte "Volksbegehren zum Landeshaushaltsgesetz" unzulässig.
Diese Änderung der Landesverfassung hatte ausdrücklich zum Ziel, auch finanzrelevante Politikbereiche zum Thema öffentlicher Auseinandersetzung machen zu können. Die Anliegen von Volksbegehren dürfen also ausdrücklich auch Finanzierungsbedarf erzeugen - da ansonsten ja kaum ein politisches Anliegen Bestandteil von Volksentscheiden werden könnte.
Nur: Über wie viel Geld dürfen die Bürger nun entscheiden? Das ist die Frage, für die es derzeit keinen Präzedenzfall in Berlin gibt. Und genau hierauf wird das weitere Verfahren zum Kita-Volksbegehren eine Antwort liefern. Denn das Verfahren ist das erste seit der Verfassungsänderung, das - bei weiter positivem Verlauf - einen derart großen Haushaltsbedarf verursachen würde. Dementsprechend groß ist die Bedeutung auch für zukünftige Volksbegehren.
Denkbar sind nun zwei Verfahren: Entweder lässt der seit Montag mit der Prüfung befasste Innensenator Ehrhart Körting (SPD) das Volksbegehren aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht zu. Dann müsste ein Gericht über die Frage entscheiden. Doch damit ist nicht zu rechnen. Am Montag hieß es aus seinem Haus, dass nach einer ersten Prüfung keine haushaltsrechtlichen Bedenken bestünden.
Wenn das so bleibt, gilt Szenario zwei: Dann hätte das Kita-Bündnis bewiesen, dass eine sorgfältige Vorbereitung den Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich viel Geld in die Hand geben kann. Die Initiative war aufgrund der Rechtsprechung knapp unter den in anderen Bundesländern und vom Bundesverfassungsgericht benannten Höchstgrenzen geblieben und hatte ihre ursprünglichen Forderungen auf ein Drittel reduziert - auf knapp 100 Millionen Euro mehr für die Kitas.
Wenn der Senat das Volksbegehren nun formal zulässt, kann er es freilich inhaltlich immer noch ablehnen - etwa weil er keine 100 Millionen Euro lockermachen will. Aber dann haben die Bürger im Volksentscheid das letzte Wort.
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