Volksbegehren "Unser Hamburg - Unser Netz": Gewerkschaften dagegen

Arbeitnehmervertreter streiten über Re-Kommunalisierung der Netze. Betriebsräte der Energiekonzerne rufen zum Boykott der Unterschriftensammlung auf.

Sollen laut Vattenfall und Eon Arbeitsplätze gefährden: Unterschriften für das Volksbegehren. Bild: dpa

Den argumentativen Spagat üben die Hamburger Gewerkschaften Ver.di und IG Metall. Der Grund ist "die Sorge um Arbeitsplätze", sagt Petra Reimann, Leiterin des Fachbereichs Energiewirtschaft bei Ver.di. Und deshalb wird das Volksbegehren "Unser Hamburg - Unser Netz" zur Re-Kommunalisierung der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme von der Gewerkschaft "nicht bedingungslos unterstützt", so Reimann.

In Anzeigen in Hamburger Wochenblättern rufen die Betriebsräte der Energiekonzerne Vattenfall und Eon Hanse nun dazu auf, "keine Unterschrift für das Volksbegehren" zu leisten. Die Übernahme der Energienetze in öffentliche Hand "gefährdet Hamburger Arbeitsplätze", heißt es in der Anzeige. "Ein öffentlicher Arbeitgeber ist per se kein Garant für gute Arbeitsbedingungen", sagt Mitunterzeichner Thies Hansen, Betriebsratsvorsitzender von Eon Hanse und Mitglied des Ver.di-Landesvorstands. Vattenfall, zur Erinnerung, ist ein öffentlicher Arbeitgeber - er gehört zu 100 Prozent dem Staat Schweden.

Im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof gibt es indes auch einen internen Konflikt. Die große Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten bei Vattenfall und Eon Hanse sind Mitglieder der IG Metall. Bei einer Re-Kommunalisierung könnten sie zur Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di wechseln. Es geht um mindestens 2.500 Beitragszahler. Das sei "kein Thema", sagt jedoch Ina Morgenroth, 2. Bevollmächtigte der IG Metall Hamburg. "Es gibt keinen Automatismus, die Kollegen können natürlich bei uns bleiben." Bedenken werden nur unter vier Ohren geäußert. "Wenn wirklich re-kommunalisiert würde, könnte ein ernsthafter Organisationsstreit entstehen", fürchtet ein Gewerkschafts-Insider. "Daran hat hier niemand Interesse."

Das Volksbegehren "Unser Hamburg - Unser Netz" wird getragen von Attac, BUND, dem Kirchenkreis Hamburg-Ost, der Initiative Moorburgtrasse, Robin Wood und der Verbraucherzentrale.

Mindestens 63.000 gültige Unterschriften müssen bis zum 22. Juni gesammelt werden. Aktuell liegen 23.221 Unterschriften bei der Initiative vor.

Die Bürgerschaft kann das Begehren, sofern es erfolgreich ist, akzeptieren. Wenn nicht, käme es 2013 zum Volksentscheid.

Weitere Infos und Listen: www.unser-netz-hamburg.de.

"Es gibt keinen Beschluss zu unterschreiben, und es gibt keinen Beschluss, nicht zu unterschreiben", stellt Hamburgs Ver.di-Chef Wolfgang Rose klar. Der Landesbezirk habe im Februar beschlossen, dass bei einer Re-Kommunalisierung "die Interessen der Beschäftigten gewahrt" werden müssten. "Es kann ja nicht sein, dass die Beschäftigten für den Kaufpreis bluten müssen", sagt Rose.

Im Grundsatz habe die Gewerkschaft "eine positive Haltung" zur Re-Kommunalisierung der Netze, sagt Rose, er selbst habe die Listen an alle Ver.di.-Fachbereiche verteilen lassen: "Aber von den Beschäftigten kann ich doch nicht verlangen, dass sie das blanko unterschreiben."

Morgenroth jedoch kritisiert, dass die Initiative sich nicht um das Schicksal der Beschäftigten kümmert. Bei einer Übernahme seien "viele Regelungen unklar, das sorge für Existenzängste".

Zu Jahresanfang habe Ver.di selbst Vattenfall "zu Recht vorgeworfen, mit Abspaltungen, Ausgliederungen und Verkäufen zu drohen", ruft Manfred Braasch in Erinnerung. Der Konzern sei, so der BUND-Geschäftsführer und Vertrauensmann des Volksbegehrens, "doch alles andere als ein Traum-Arbeitgeber".

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