Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband der Wirtschaft: "Um Migranten werben"
Die Unis sollen stärker um Migranten und bildungsferne Schichten werben, meint Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband der Wirtschaft. Zum Beispiel in den Kulturvereinen.
taz: Herr Meyer-Guckel, die einen klagen, es mangle an Masterstudienplätzen, die anderen sagen, es gibt ausreichend. Was meint die Wirtschaft?
Volker Meyer-Guckel: Wir sollten so viele haben, dass diejenigen, die einen Master anstreben und dazu in der Lage sind, ihn machen können. Ich glaube auch nicht, dass es künftig weniger Studierende geben wird, die nach fünf Jahren ihr Studium beenden, als vor der Bologna-Reform. Es wäre ja absurd, wenn der Arbeitsmarkt weniger Menschen mit diesem Qualifikationsniveau brauchte.
Also braucht man mehr Masterstudienplätze?
ist stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Der Verband vertritt rund 3.000 Unternehmen, Verbände und Stiftungen.
Das ist zurzeit schwer zu sagen. Wir brauchen vor allem viel mehr Differenzierung in den Hochschulen.
Wozu?
Wir müssen uns viel stärker um die Leute kümmern, die normalerweise nie an einer Universität landen. Um Migranten etwa, die machen in manchen Städten heute schon fast die Mehrheit der Abiturientinnen und Abiturienten aus. Um die müssten die Unis werben.
Die Unis sollen um Migranten werben?
Ganz klar. Sie müssen gezielt um sie werben, in den Kulturvereinen etwa und in den Schulen. Gleichzeitig müssten Hochschulen auch Sprachkurse als Brückenkurse anbieten und Teilzeitstudiengänge. Aber die staatlichen Universitäten kümmern sich noch nicht ausreichend um diese Leute.
Immerhin bieten immer mehr Unternehmen duale Studiengänge an. Wird der Meister zum Master?
Ganz klar: Die betriebliche Ausbildung wird zunehmend akademisiert. Große Unternehmen finden schon jetzt nur noch Leute für die betriebliche Ausbildung, wenn sie Anschlussmöglichkeiten schaffen. Früher hat man den Gesellen und den Meister gemacht, und dann war Schluss. Jetzt koppeln viele Firmen die betriebliche mit einer akademischen Ausbildung. Denn das wird zunehmend nachgefragt.
Werden Hochschulen zu Dienstleistern der Unternehmen?
Die Hochschulen müssen den Mut haben, zu sagen, ich will nicht so sein wie meine Nachbarhochschule, sondern ein unterscheidbares Angebot stricken: für Lehre, Weiterbildung, Wissenstransfer und die Akademisierung von bildungsfernen Schichten. Das sind heute die zentralen Aufgaben von Hochschulen.
Das passt aber überhaupt nicht in die vorhandenen Wettbewerbe, wie beispielsweise bei der Exzellenzinitiative.
So ist es. Da rattern die Universitäten durch das Hamsterrad "Forschungsdrittmittel", stellen einen Antrag nach dem anderen und fokussieren alle Ressourcen darauf, in diesem Wettbewerb zu reüssieren. Stattdessen sollte es diverse Fördertöpfe für die unterschiedlichen Aufgaben der Hochschulen geben, um die sie sich bewerben können.
Brauchten die Unis nicht eine verlässliche Grundfinanzierung, anstatt sich auf immer neue Wettbewerbe vorzubereiten?
Die Hochschulen brauchen beides: eine bessere Grundfinanzierung und mehr Drittmittel.
Beim Stipendienprogramm des Bundes halten sich die Unternehmen aber bisher auffällig zurück. In Nordrhein-Westfalen, wo es ein ähnliches Programm bereits seit zwei Jahren gibt, wurden bisher erst ganze 0,5 Prozent der Studierenden mit Stipendien ausgestattet.
Noch halten sich die Unternehmen zurück. Aber in Zukunft wird sich das ändern, weil sie nämlich zusehen müssen, möglichst früh Kontakt mit Leuten aufzunehmen, die irgendwann einmal Mitarbeiter werden.
Bedeutet das, dass vor allem Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler davon profitieren werden?
Die Stipendienlandschaft wird so bunt werden wie die Gesellschaft. Private Spender und Alumni werden Institutionen fördern, mit denen sie sich am meisten verbunden fühlen, Stiftungen werden sich zum Beispiel um Migranten und Geisteswissenschaftler kümmern.
Bei dem derzeitigen Tempo würden die Zielmarke von 10 Prozent aber erst in ca. 30 Jahren erreicht.
Ich glaube, das wird noch wachsen. Wo am Ende die Marke liegen wird, kann zurzeit niemand sagen. 10 Prozent sind jedenfalls sehr hoch gegriffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter