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Volkan Ağar über Glauben und Gender in SchönebergRegenbogen ist keine Sünde

Homosexuell und muslimisch. Transsexuell und jüdisch. Intersexuell und christlich. Geht nicht? Geht doch! Es sind Eigenschaften, die einander scheinbar widersprechen, für viele aber täglich gelebte Normalität sind. Die Anerkennung für diese Normalität in Berlins religiösen Gemeinden zu stärken, erweist sich als Gratwanderung zwischen entpolarisierendem Verständnis und entschlossener Forderung.

So auch am Donnerstag im Rathaus Schöneberg, als Personen aus verschiedenen liberalen religiösen Organisationen mit dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) und der Tempelhof-Schöneberger Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) zusammenkamen, um die „Schöneberger Erklärung für Vielfalt und Respekt“ zu unterzeichnen. Die Resolution wird unter anderem vom Liberal-Islamischen Bund, dem jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, der Alt-Katholischen Kirche sowie der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg getragen. Man sei sich „einig, dass niemand aufgrund seiner sexuellen oder geschlechtlichen Identität benachteiligt und diskriminiert werden darf“, steht im ersten Satz der Erklärung, die in betont harmonischer Atmosphäre verabschiedet wurde.

Dagegen zeigte sich im Pressegespräch, dass dem demonstrativen Einklang der Beteiligten die reale Aussicht eines Balanceaktes gegenübersteht. So betonte LSVD-Landesgeschäftsführer Jörg Steinert immer wieder die Notwendigkeit, auch auf andere Glaubensgemeinden zuzugehen und sich jenen zu öffnen, „die noch nicht so weit“ seien wie die Anwesenden. Die Resolution sei eine „gute Arbeitsgrundlage“ dafür.

Als Kontrast wirkte eine Aussage des schwulen Imams Ludovic-Mohamed Zahed, des Gründers der ersten inklusiven Moschee für LGBTQ-Personen in Europa. Entgegen vielen anderen Interpretationen müsse der Islam heute als „philosophisches Angebot“ verstanden werden. Und: Muslime müssten sich nun endlich entscheiden – zwischen einem Islam, der mit demokratischen Werten im Einklang stehe, und jenem fundamentalistischen Islam, den etwa der sogenannte Islamische Staat vorlebe.

Mit Verständnis und Offenheit, jedoch nicht ohne Hartnäckigkeit und Entschlossenheit zu agieren ist ein Spannungsverhältnis. Aber dieses ist unvermeidbar auf dem Weg zu einer Normalität, die allen gleichermaßen zusteht, und zwar unabhängig von geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung und religiöser Zugehörigkeit.

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