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Völkermord an Herero und NamaEntschuldigung genügt nicht

Kommentar von Jephta Nguherimo

Deutschland erkennt den Völkermord an den Herero und Nama in Namibia an. Was fehlt, ist eine „moralische und materielle Wiedergutmachung“.

Bundesaußenminister Maas gibt Deutschlands Anerkennung des Völkermords in Namibia bekannt Foto: Tobias Schwarz/ap

N amibia und Deutschland haben Medienberichten zufolge ein „Versöhnungsabkommen“ unterzeichnet. Demnach entschuldigt sich die deutsche Regierung für den kolonialen Völkermord von 1904 bis 1908. Das Abkommen umfasst Zahlungen von mehr als einer Milliarde US-Dollar – zahlbar über einen Zeitraum von 30 Jahren – sowie die öffentliche Anerkennung des Völkermords.

Erwartungsgemäß haben traditionelle Führer der OvaHerero und Nama, darunter auch Befürworter der Verhandlungen, diese „Versöhnung“ öffentlich als unzureichend und beleidigend abgelehnt. Der volle Text der Vereinbarung liegt noch nicht öffentlich vor. Gerüchten zufolge will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Namibia reisen und vor dem Parlament eine Entschuldigung aussprechen.

Das wäre der zweite Versuch einer deutschen Regierung, Reue für die Verbrechen an den OvaHerero und Nama zu demonstrieren. Schon 2004 entschuldigte sich die damalige Ministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, bei einer Rede in Ohamakari in Waterberg. Allerdings schwächte Berlin die Entschuldigung damals ab: Die Ministerin habe nicht für die Regierung gesprochen, hieß es.

Ironischerweise bot die Bundesregierung damals der namibischen Regierung einen sogenannten Sonderfonds an, um an die betroffenen Gemeinschaften „Sozialhilfen“ als eine Art Wiederaufbau oder Wiedergutmachung zu verteilen. Die Gelder sind bis heute nicht verbucht. In den Gebieten der meisten betroffenen Gemeinschaften gibt es keine wesentlichen wirtschaftlichen Fortschritte. Sie sitzen weiter auf dem Trockenen. Eine wirksame Entschuldigung muss vier Ansprüchen genügen.

Betroffene Gemeinden sitzen auf dem Trockenen

Erstens: Der Täter muss das begangene Verbrechen vollumfänglich anerkennen. Zweitens: Er muss erklären, warum und wie sein Verhalten den Opfern Schaden zugefügt hat. Um Vertrauen zu schaffen und eine Versöhnung zu ermöglichen, muss er garantieren, dass es keine Wiederholung der Verbrechen geben wird. Drittens: Es muss einen ehrlichen Ausdruck von Reue geben. Und viertens: Es muss eine Wiedergutmachung gezahlt werden.

Eine Entschuldigung ohne Entschädigung ist aus Sicht der Opfer bedeutungslos, denn es geht bei Reparationen darum, die Würde der Opfer wiederherzustellen. Wenn wir die Entschuldigung der Ministerin aus dem Jahr 2004 anhand dieser Kriterien beurteilen, stellt sie die Nachkommen der Opfer des in den Jahren 1904-08 von Deutschen verübten Völkermords nur bedingt zufrieden. Sie erfüllt die ersten beiden Kriterien und teilweise das dritte. Aber sie scheiterte am vierten.

Heute wiederum sieht es so aus, dass die Bundesregierung die Entschuldigungsformel von 2004 neu auflegt und zusätzlich zur Zahlung von Sozialhilfe als Entschädigung bereit ist. Und sie behauptet, der Vernichtungsbefehl des Generals Lothar von Trotha gegen die OvaHerero und Nama sei nach damaligen Maßstäben kein Völkermord gewesen, nur nach heutigen.

Steinmeier und sein namibischer Amtskollege Hage Geingob verstehen nicht, worum es geht, wenn wir, die Betroffenen, die Wiederherstellung unserer Würde als von der Erinnerung und den Narben der Verbrechen gezeichnete Völker einfordern. Wiederherstellung unserer Würde heißt Entschädigung für unser gestohlenes Land und Rekonstruktion der dem Völkermord zum Opfer gefallenen soziokulturellen und ökonomischen Aspekte unserer Gesellschaften.

Wie Wieczorek-Zeul in ihrer Rede richtig sagte, wurden unsere Ahnen ihres Landes beraubt, Frauen wurden in die sexuelle Sklaverei gezwungen, Menschen wurden wahllos getötet, in Konzentrationslagern interniert und zur Sklavenarbeit beim Bau von Eisenbahnen, Hafenkais in Swakopmund und Gebäuden in ganz Namibia gezwungen.

Konrad Adenauer als Vorbild

Bundespräsident Steinmeier sollte sich Konrad Adenauer zum Vorbild nehmen, der 1951 dem Appell jüdischer Organisationen und Israels folgte. Adenauer erklärte vor dem Bundestag: „Im Namen des deutschen Volkes sind unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten …

Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit Vertretern des Judentums und des Staates Israel, der so viele heimatlose jüdische Flüchtlinge aufgenommen hat, eine Lösung des materiellen Wiedergutmachungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu erleichtern.“

In gleicher Weise sollte Deutschland heute im Fall der OvaHerero und Nama eine Wiedergutmachungskommission bilden, die messbare Kriterien über die Auswirkungen des Völkermords auf die Nachfahren der Opfer ermittelt, und einen Wiedergutmachungsfonds einzurichten, der ihre Gemeinschaften wiederherstellt. Ein solcher Fonds sollte unabhängig von Namibias Regierung sein, die systematisch Geld in die nördlichen Regionen lenkt.

Wir bedauern die selektive „moralische und historische Verantwortung“, die die Deutschen den Opfern ihrer Völkermorde je nach Rasse und Ethnizität zukommen lassen. Eine Entschuldigung muss moralische und materielle Wiedergutmachung an den OvaHerero und Nama beinhalten. Keine noch so hohe Summe von Sozialhilfe kann das Leid unserer Völker aufwiegen.

Präsident Steinmeier sollte seine Entschuldigung nicht im namibischen Parlament äußern, sondern im Bundestag, damit das deutsche Volk seinen verschwiegenen Völkermord kennenlernt und versteht. Anschließend ist er in Namibia willkommen, um die OvaHerero und Nama zu treffen und sich bei ihnen zu entschuldigen. Wenn nicht, kann er mit dem namibischen Präsidenten und dem namibischen Parlament Urlaub machen. Unser Kampf aber wird weitergehen. Wir sind geduldig.

Aus dem Englischen von Dominic Johnson

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7 Kommentare

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  • Jephta Nguherimo schreibt: " ... damit das deutsche Volk seinen verschwiegenen Völkermord kennenlernt und versteht."

    Nicht nur für Nguherimo, sondern für alle Kommentatoren der Verbrechen des Generals Lothar von Trotta ab 1904 in Namibia sind folgende Informationen sicher hilfreich: von Trotta, dessen brutales Vorgehen schon vom "Boxer-Aufstand" in China bekannt gewesen war, wurde nach Namibia geschickt, weil der dortige "Gouverneur" Leutwein den erfolgreich kämpfenden Hereros einen "Verhandlungsfrieden" angeboten hatte. Als das verbrecherische Vorgehen von Trottas in der deutschen Öffentlichkeit bekannt wurde (damals gab es noch kein Internet), kam es in der "empörten deutschen Öffentlichkeit und im Reichstag zu Tumulten" (Rainer Tetzlaff, Afrika), und die SPD und das Zentrum (Vorläufer der CDU) haben die neuen Kredite für die Kolonialpolitik abgelehnt. Unmittelbar danach ließ Reichskanzler Fürst von Bülow den Reichstag auflösen. Der folgende Wahlkampf war hauptsächlich von der Hetze gegen die Sozialdemokraten als angebliche "Vaterlandsverräter" geprägt. Trotzdem hat die SPD, die im Wahlkampf sowohl die Kolonialpolitik insgesamt kritisiert als auch einzelne Schwerstverbrechen ans Licht gebracht hatte, mit fast 30% der Stimmen stärkste Partei. Allerdings hat sie auf Grund des Mehrheitswahlsystems mit Stichwahl gegenüber der Wahl zuvor deutlich Sitze verloren, so dass sie zusammen mit dem Zentrum jetzt keine antikoloniale Mehrheit mehr hatte.

  • Das Leid, dass Deutschland dem namibischen Volk zugefügt hat, kann mit Geld und guten Worten nicht kompensiert werden. Eine glaubwürdigere Maßnahme zur Wiedergutmachung wäre, wenn die BRD einen Teil ihres Territoriums an Namibia zur wirtschaftlichen Nutzung abträte.

    • @C.O.Zwei:

      Nicht die Wirtschaftliche Nutzung, aber der wirtschaftliche Nutzen kommt seit Langem dort an: Seit 1990 leisten wir eine nicht unerhebliche Entwicklungshilfe von ca. 1 Milliarde Euro. Namibia erhält laut windhuk.diplo.de die höchsten pro-Kopf Mittel der deutschen Regierung in ganz Afrika. Daher muss der Vorschlag nicht angenommen werden, aber rein aus dem Blickwinkel der Diplomatie ist die Art der Wortwahl der Ablehnung etwas "direkt" gewählt.

      Und ich sehe es im Vergleich zu Ihnen auch aus einer anderen Perspektive, und zwar, dass ich es gut finde, wie Deutschland sich in Entwicklungshilfen einbringt, und darin sehe ich keinerlei Freikaufen, sondern die Leistung vieler, die sich mit Tat und Kraft und Geld für diese Länder und Menschen einsetzen.

      Vor allem finde ich es interessant, dass eine Entschuldigung nur dann akzeptiert wird, wenn mindestens Summe X fließt. Dies kommt vor allem nimmer ganz und gar den eigentlichen Hilfebedürftigen zugute, um die es "heute" geht, und die "jetzt" unsere Hilfe brauchen.

      Ein Vergehen, vor allem Wirtschaftlich und umwelttechnisch, an der dritten Welt (von allen Industrienationen) ist bis heute ein generelles Problem, was von allen Industrienationen gelöst werden muss.



      Auch ein Grund der nachvollziehbaren Flucht jener Menschen aus Ihren Ländern.

  • Mich stört ein wenig, dass die Zahlung der 1 Mrd $ nur als „erster Schritt“ akzeptiert wird, aber nirgends finde ich einen Hinweis, wie viele Schritte insgesamt erforderlich sind, um von der Gesamtschuld (in welcher Höhe?) frei zu werden.



    Mich erinnert das an die „Schuldknechtschaft“ früherer Zeiten: Schulden nämlich, die der Schuldner ohne eigenes Zutun von seinen Vorfahren geerbt hatte. Er kam nie von seinen Schulden herunter und vererbte sie schließlich an seine Nachkommen, und das Spiel begann von Neuem.



    Steht uns das auch bevor?

  • sollen staaten für die gewaltverbrechen ihrer vorgängerstaaten haften?



    ja

    sollen die erb*innen von gewaltverbrechern mit den geerbten vermögen für die gewaltverbrechen ihrer vorfahren haften?

    ja

    warum tut sich die brd so schwer mit dem ja zur staatlichen verantwortung und warum zieht sie das ja zur privaten verantwortung nicht einmal in erwägung

    falls "Lothar von Trotha " nachkommen hat die sein vermögen geerbt haben soll dieses konfisziert werden

    ausserdem sollen die nachkommen von gewaltverbrechern auch keine adelstitel verwenden dürfen.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @satgurupseudologos:

      Dafür müssten sie nachweisen können, dass das Vermögen durch Kolonialverbrechen erworben wurde, was nach 100 Jahren schwierig ist, da Vermögen verloren, aus anderen Quellen hinzukam. Die Trothas waren vor einigen Jahren in Namibia auf Einladung der Hereros und haben sich entschuldigt. Direkte Nachkommen hat der Mann nicht mehr.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Für 6 Millionen Tote Juden wurde ca. 75Millarden bezahlt über die Jahrzehnte, für 100.000 Herero und Nama würde das bischen mehr als eine Milliarde ergeben. Das was in etwa rauskam.