■ Cash & Crash: Viva la crisis
Berlin (taz) – Die spanischen Börsen schließen zu Jahresende mit fetten Gewinnen. Gegenüber dem Vorjahr ist allein der Generalindex der Madrider Börse fast 45 Prozent gesteigen. Anleger haben dort in diesem Jahr für 5,5 Billionen Peseten Abschlüsse getätigt – immerhin doppelt soviel wie im vergangenen Jahr. Sie bescherten der „Bolsa de Madrid“ damit seit langem wieder einen Gewinn von 1,7 Milliarden Peseten.
Die letzte große Hausse Mitte der 80er Jahre war 1987 mit dem weltweiten Oktober-Crash zu Ende gegangen. Seitdem dümpelte die Börse von Baisse zu Baisse. Da die spanische Wirtschaft seit Mitte 1992 in einer tiefen Rezession steckt und die Pesete mit fünf Prozent Inflation zu kämpfen hat, waren Aktien für Spanier ein beliebtes Anlageobjekt. Die spanische Regierung hatte die niedrigen Zinsen für festverzinsliche Wertpapiere in den letzten 14 Monaten weiter gesenkt und hoffte, so die Konjunktur anzukurbeln. Mit durchschnittlich zwei Prozent liegen die Zinsen jedoch unter der Inflationsrate. Spanische Anleger entzogen daher ihr Geld den Banken und investierten in Aktien. Jeder zweite Investor kam außerdem aus dem Ausland.
Da die Pesete im vergangenen Jahr um 30 Prozent abgewertet worden war, war sie für ausländische Anleger attraktiv geworden. Der niedrige Wechselkurs gegenüber Pfund, Mark oder Dollar und die Inflationsrate hätten eventuelle Verluste durch – allerdings nicht erwartete – Aktienkurseinbrüche aufgefangen. Spekulanten hatten also einen gewissen Spielraum, den vor allem englische und US-amerikanische Anleger voll ausnutzten.
Die schwere Wirtschaftskrise tut ein übriges. Spanische Unternehmen haben im letzten Jahr kräftig abgespeckt und entlassen. Und nachdem sie sich nun am Kapitalmarkt mit viel Fremdkapital eingedeckt haben, kann es ja nur noch bergauf gehen. Wirtschaftsauguren sind zwar der Meinung, daß der Aufschwung in Spanien erst ab 1995 richtig losgehen wird, aber Hoffnungsschimmer zeigt die Entwicklung an der Börse schon jetzt. Erfreulicherweise haben Bauunternehmen und Maschinen- und Anlagenbauer kräftig zugelegt und gehörten 1993 zu den beliebtesten Anlageobjekten. Beide Branchen gelten als Aufschwungindikatoren. Wird erst mal gebaut, zieht dies andere Branchen mit. Gewinner auf dem Aktienmarkt waren wie überall im rezessionsgeschüttelten Europa die Banken, gefolgt von Energieversorgungsunternehmen und Kommunikationsdienstleistern. Außerdem versucht die Regierung, den Verfall der Pesete aufzuhalten und die Inflation einzudämmen. Die Rechnung der ausländischen Investoren könnte also aufgehen. Ulrike Fokken
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