Visionen vom Luftkreuz Lemwerder

■ Die Flugzeugwerft ASL hat große Pläne: Mit einer verlängerten Landebahn soll der Werksflughafen für Frachtflüge aufgemöbelt werden / Bürger fürchten große Ausbaupläne

Auf dem zugigen Gelände der Flugzeugwerft ASL direkt am linken Weserufer in Lemwerder ist noch viel Platz – und viel Raum für Zukunftspläne. „Wir wollen den Standort wieder auf maximale Möglichkeit fahren“, sagt Werner Preisler, als Manager für „Business Development“zuständig. Seine Vision: Die Startbahn von 1.800 auf 3.300 Meter verlängern und Lemwerder zur Drehscheibe für den Luftfrachtverkehr ausbauen.

Viele Menschen in Lemwerder haben nun den Eindruck, daß in aller Stille erste Pflöcke für ein Luftkreuz eingerammt werden. Denn die Gemeinde plant eine 1,2 Kilometer lange Verbindungsstraße von der Hauptstraße beim Ortsteil Al- tenesch und einem direkt am Werksflughafen gelegenen Gewerbegebiet bei Deichhausen. Für die bisher dort ansässigen Betriebe mache die Straße keinen Sinn, sagt Paul Lapsien, Sprecher der Bürgerinitiative. „Es fehlen nur noch ein paar Hundert Meter für den Anschluß zur Bundesstraße 212“, sagt ein Mitstreiter. Dann sei der Flughafen Lemwerder nicht nur vom Wasser und aus der Luft, sondern auch über die Straße optimal angebunden. Besonders, wenn man in die Zukunft denkt: Von Bremen kommt die geplante A 281 sehr nahe, der Wesertunnel, der südlich von Nordenham gebuddelt werden soll, öffnet neue Wege nach Norden.

Kein Wunder, daß diese Entwicklungen auch zwischen den Hangars der ASL Begehrlichkeiten wecken. Denn in der Tat steckt in dem 186 Hektar-Gelände noch Potential, das der Miteigentümer Henrik Napp, der am 1. Januar die Geschäftsführung übernimmt, erschließen soll. Bevor die Dasa 1994 den Betrieb schließen wollte, arbeiteten 1.450 Menschen auf dem Gelände. Nach der gelungen Rettung und der Übernahme durch drei Geschäftsleute um den Kaufmann Jürgern Großmann warten und reparieren heute noch 650 Mitarbeiter die Flieger für die Airlines .

Als ersten Schritt zum Flughafenausbau möchte ASL den Landeplatz aus der Regie der Firma ausgliedern und in einen öffentlichen Flugplatz umwidmen. Weil es in Deutschland kein Luftfahrtstrukturkonzept gebe und außerdem viele private Flughafengesellschaften aus dem In- und Ausland nach Beteiligungsmöglichkeiten suchten, hält ASL-Mann Preisler die Pläne durchaus für realistisch.

Die Verlängerung der Landebahn sei aber bei geschätzten Kosten in sechsstelliger Millionenhöhe erst mittelfristig zu erwarten. ASL kann mit einigen Pfunden wuchern, die der nahegelegene Flughafen Bremen nicht aufweisen kann: Eine 3.300-Meter Landebahn wäre auch für Jumbo-Jets lang genug, Bremen hat nur 2.000 Meter. Ein 24-Stundenbetrieb erscheint möglich, heißt es in einem Strategiepapier der ASL. Vergleichsweise wenige Anwohner wären vom Fluglärm betroffen. Und neben dem Flughafen liege genügend Freifläche, um neue Gewerbebetriebe anzusiedeln.

Die Fachleute vom Bremer Flughafen halten die Visionen von ASL jedoch für reine Zukunftsmusik. Das Aufkommen an Luftfracht sei trotz zweistelliger Steigerungsraten in der Region einfach zu gering für einen weiteren Flughafen, sagt Helmut Sander, Prokurist der Flughafen Bremen GmbH. Um einen Frachtflughafen wirtschaftlich betreiben zu können und die Investitionen für die Startbahn wieder reinzukriegen, bräuchte ASL das Aufkommen von Bremen, Hamburg und Hannover zusammen“, sagt Sander. Er erwartet für Bremen in diesem Jahr 38.000 Tonnen Luftfracht. Davon würden allerdings nur zehn Prozent tatsächlich von Bremen aus geflogen, 90 Prozent werden per LKW zu einem anderen Flughafen gebracht. Reine Frachtflieger seien in Bremen die absolute Ausnahme, die Waren reisen mit den Passagiermaschinen.

ASL schwebt jedoch eine Art Mischkalkulation für die verlängerte Landebahn vor. So könnten auch die zur Wartung kommenden Flugzeuge Güter mitbringen. Und auch für das Werft-Geschäft könnte sich eine längere Bahn lohnen. ASL-Eigentümer Großmann ist im Gespräch mit Boeing, um mit dem Hersteller von Großraumjets ins Geschäft zu kommen.

Joachim Fahrun