Virtuelle Liebesschule in Wien: Sexuelle Techniken I und II
Eine Barockvilla am Rande von Wien, eine erfahrene Schwedin sowie ein Lehrplan voll Zärtlichkeitsschulungen und Sextechniken. Und natürlich alles praxisnah vermittelt.
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WIEN taz | Wien ist bekanntlich die Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt. Zumindest, wenn man der jüngst veröffentlichten Studie des Beratungsunternehmens Mercer glaubt. Der Wohlfühlfaktor Sex ist aber bisher unzureichend betont worden.
Diese Lücke sollte jetzt durch die erste Schule für Sex gefüllt werden. Als Mitte November die Nachricht lanciert wurde, eine schwedische Expertin hätte eine Barockvilla in Stadtnähe gemietet, um dort ihre Künste zu vermitteln, überboten die Gratisblätter einander mit Berichten über das bevorstehende Kulturangebot. Auch der seriöse Kurier berichtete, Schülerinnen und Schüler sollten durch Zärtlichkeitsschulungen und Erlernen raffinierter Sexpositionen zu besseren Liebhabern werden.
Der neue Wissenstempel namens Aisos (Austrian International School of Sex) manifestierte flugs auf einer Homepage seine Existenz: "Aisos ist Europas erste Schule für die Entwicklung Ihrer Liebeskraft, Ihrer sexuellen Fertigkeiten und Techniken. Im Gegensatz zu den meisten Schulen, die sich dieses Themas annehmen, beschränken wir uns nicht auf die Theorie. Wir lehren die Fähigkeiten in der Praxis".
Auf dem Lehrplan standen stolze 18 Wochen für Sexuelle Techniken I und II, acht Wochen für Sexuelle Massage (Kappa) und immerhin vier Wochen für Historischen Sex (auch als Geschichte des Sex angepriesen). Als Betreiberin wurde Ylva Marie Thompson präsentiert, eine Künstlerin, die sich in Schweden durch ihre Vulva-Gipsabgüsse (pussy casts) einen Namen gemacht hat. Bei einer Pressekonferenz Anfang Dezember verkündete sie, die ersten Kurse ab Januar 2012 seien bereits ausgebucht - trotz der stattlichen Semestergebühr von 1.400 Euro.
Noch bevor die Boulevardpresse sich in Fantasien über die Sex-Examina ergehen konnte, folgte kurz vor Weihnachten die Ernüchterung. Auf der Aisos-Homepage erschien ein buntes Vögelchen. Gleichzeitig outete sich die Aktionsgruppe The BirdBase als Autorin des Hoax. The BirdBase ist eine Gründung der Jungen Industrie (JI), einer Unterorganisation der Industriellenvereinigung, die sich bisher nicht mit Spaßguerillaaktionen hervorgetan hat.
Warum der Scherz trotzdem den Interessen der Industrie diene, begründete JI-Vorsitzende Therese Niss so: "Wir haben durch das Experiment versucht, Leute zum Nachdenken zu bringen. Es ist aufgegangen." Gemeint war das Problem der Überalterung der Gesellschaft. Alles klar?
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