Virtuelle Ausstellung über paramilitärischen Terror: Ein dunkles Kapitel

Die kolumbianische Journalistin Ginna Morelo hat recherchiert, wie Paramilitärs eine ganze Region zum Schweigen brachten.

Ginna Morela ist ein kolumbianische Journalistin. Sie hat ein Onlinemuseum gegründet

Ginna Morelo hat ihre über 20 Jahre lange Recherche nun in ihrem Online­museum zu Ende gebracht Foto: RoG

Mit den aufkommenden landesweiten Protesten im Frühling vergangenen Jahres hat sich die Situation für Medienschaffende und Journalisten in Kolumbien nur noch verschlimmert. Es gab rund 220 Übergriffe, so viele wie noch nie, etwa die Hälfte davon wurden von Sicherheitskräften verübt. Damit gehört das Land weiterhin zu einem der gefährlichsten Länder Lateinamerikas für Medienschaffende. Ginna Morelo ist eine von ihnen. Sie schreibt über Menschenrechtsverbrechen, recherchiert über Landraub durch die Paramilitärs und deren Verbindungen in die Politik. Dadurch wurde Morelo selbst zum Ziel von Einschüchterungsversuchen und Morddrohungen.

Ihre jahrelange Recher­chearbeit hat Morelo nun in ihrem Projekt „Entre Ríos“ für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. „Entre Ríos“ ist ein Online­museum, dessen Homepage seit Dezember freigeschaltet ist und an dem auch ihr Bruder, ein Museumspädagoge, mitgearbeitet hat. Das dazugehörige Buch zum Museumsprojekt, alle Interviews und Dokumente sollen in den kommenden Tagen genauso online stehen wie eine Zeitleiste mit den Morden an Professoren, Dozenten der Universität von Montería sowie indigenen Aktivisten wie Kimy Pernía Domicó. Die vier Säle ihres virtuellen Museums will sie mit den Informationen bestücken, streng unterteilt.

Einen Eindruck, was die Seite leisten soll, liefert bereits der Film „Reise in die Stille“, der bereits im „Sala audiovisual“ online steht. Der Film ist das Ergebnis einer Visite im Siedlungsgebiet der Embera Katío, die Ginna Morelo im letzten Jahr unternahm – gemeinsam mit Martha Domicó, Tochter von Kimy Pernía Domicó, dem Anführer der Embera Katío, der wegen seines Widerstands gegen das Staudammprojekt Urrá I von Paramilitärs entführt und ermordet wurde.

Zwanzig Jahre nach dem Mord ist seine Tochter nun Protagonistin des Museums: Ihr Konterfei taucht auf dem dreidimensionalen Bild auf, das die Startbildschirme des Museo ziert. Das Gebäude der Universität Montería ist darauf zu sehen, zwei Flussläufe, Reiher, Pferde, Palmen und die Gesichter von Martha Domicó und Alberto Alzate Patiño, von den Paramilitärs ermordeter Professor an der Universität Montería. „Beide Ereignisse fanden mehr oder minder parallel statt, sind eng verzahnt. Die Embera Katío erhielten Unterstützung von Professoren und Dozenten der Universität von Montería, und das Staudammprojekt Urrá I, dem die indigene Ethnie weichen musste, ist nicht weit von Montería entfernt“, erklärt Ginna Morelo.

Die Geschichte war nicht zu Ende

Das belegen auch die Aufzeichnungen von Kimy Pernía Domicó, die alsbald im Museum zu sehen sein werden, aber auch die Interviews mit Opfern, ins Exil geflohenen Gewerkschaftern wie René Cabrales und Menschenrechtsaktivist:innen. Etliche davon hat Ginna Morelo in den letzten elf Monaten geführt, als sie dank eines Stipendiums von „Reporter ohne Grenzen“ in Berlin lebte und sich ganz auf ihr Museumsprojekt konzentrieren konnte. Berlin wurde zum Ausgangspunkt für Recherchereisen in die Schweiz und andere europäische Länder, um direkt mit den Opfern zu sprechen. „Zoom-Interviews waren nicht nur für mich komplett unrealistisch“, so die Reporterin.

Morelo war ab Mitte der 1990er Jahre für die Lokalzeitung El Meridiano de Córdoba im Einsatz und hat bereits 2009 mit „Blutiges Land“ ein erstes Buch über die Übernahme des gesamten Verwaltungs­distrikts durch die Paramilitärs geschrieben. Doch für sie war die Geschichte nie auserzählt, es fehlte noch etwas.

Diese Lücke wollte Morelo schließen, und mit dem Museum „EntreRíos“ und der visualisierten Rekonstruktion eines sehr dunklen Kapitels kolumbianischer Geschichte soll das nun gelingen. Das birgt allerdings auch 2021 noch Risiken. Bei den Dreharbeiten zum Film „Reise in die Stille“ mussten Morelo und Domicó Passierscheine vor­weisen – ausgestellt von paramilitärischen Gruppen. Die kontrollierten den Zugang zum Siedlungsgebiet der Embera Katío.

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