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Village VoiceUnd am Schluß schlägt das Cello zu

■ Man schmeckt deutlich die Geschmacksstoffe, die den Ruf begründeten: Platten von Rainbirds und Poems for Laila

Fast zehn Jahre ist es her, daß die Rainbirds zu ihrem steilen Höhenflug ansetzten, der sie in Null Komma nichts aus kleinen, schmutzigen Konzertkaschemmen ins lichte Glitzerfirmament des Musikfernsehens und der Charts führte – in den Zeiten vor Viva für eine regionale Band längst nicht die Selbstverständlichkeit, die das heute ist. Im Sturmflug eroberten sie mit einem hübsch simpel gestrickten Song die alte Bundesrepublik und legten damit die Blaupause für ein ganzes Genre vor: melodisch- harmlosen Gitarrenpop aus deutschen Landen, mit geenglischten Texten und melancholischer Schlagseite, dessen kompositorische Essenz in einer einzigen Single wie „Blueprint“ vorbildhaft durchschien: ein paar wenige Akkorde, eine nette Melodie und eingängige Strophen, die sich beim ersten Hören für immer in die Gehörgänge eingraben – die Grundbestandteile eines jeden guten Popsongs eben, aber von einer spezifischen Innerlichkeit getränkt, die an die studentische Gefühlskultur appellierte.

„With a blueprint of my life, I would better run for cover“: Bis ans Ende ihrer Tage wird dieser Refrain den Regenvögeln anhaften, ob sie wollen oder nicht – der Fluch des frühen Hiterfolgs.

Dabei haben die heutigen Rainbirds mit den damaligen bekanntlich nicht viel mehr gemein als den Namen, die immer noch existentialistisch-schwarzen Klamotten und die unverkennbare Stimme ihrer Sängerin/Songwriterin Katharina Franck. Die Unbeschwertheit der Anfangszeit wurde schon mit dem zweiten Album ad acta gelegt, was folgte, war angestrengte Ambition und unbedingtes Kunstwollen. Ein Kurs, der, nachdem bandintern die Federn flogen, dann in veränderter Flugformation weiterverfolgt wurde. Seit einer Weile sind die Rainbirds wieder ein Trio, bestehend aus Katharina Franck, Ulrike Haage sowie Tim Lorenz am Schlagzeug, und sie blicken trotzig-optimistisch in die Welt: „Forever“ werden sie weitermachen, verkünden sie mit ihrem neuen Albumtitel, da können die Kritiker noch so viel mäkeln, die sie zuletzt so „arrogant übersehen“ haben, wie es im Platteninfo heißt. In der kleinen Ortschaft Waimes, in den belgischen Ardennen nahe der Mineralwassermetropole Spa, in abgeschiedener Studioarbeit eingespielt, zeugt „Forever“ von einer allmählichen Rückkehr zur einstigen Einfachheit. Schönheit durch Selbstbeschränkung: Die studiotechnischen Möglichkeiten nur angedeutet, tönt es beim Einstieg seltsam technoid, später tuckern verhaltene Breakbeats durch das Panorama, bis wieder das Akustische dominiert und, zu guter Letzt, ein Cello zuschlägt. Herbstzeitlose Kaffehausmusik für trübe Tage. Am Ende schlägt wieder der altgewohnte Hang zur kammermusikalischen Elegie durch, die Katharina Francks lyrische Spielereien in einen See von Bedeutung taucht. Gerade die erste Hälfte des Albums aber überrascht angenehm durch kraftvollen Drive, das flotte „Don't cry a river for me“ etwa ist ein potentieller Mitsummer. Lieben muß man sie auch für die Wahl von „Tomorrow“, einem Titel aus dem Kinderfilm „Bugsy Malone“, das in seiner Liedhaftigkeit freilich wie ein Schluck klaren Wassers wirkt in einem Umfeld, das latent überfrachtet bleibt.

Die „Poems for Laila“ sind auch so ein Fall: Another Band from the end of the Achtziger Jahre. Wie die Rainbirds einst Gewinner eines Senatsrockwettbewerbs, konnten sie nie so recht die Erwartungen erfüllen, die ihr erstes Album so nachhaltig weckte. Auch hier endete der hofnungsvolle Aufbruch in Kunsthandwerk, Streit und Trennung, und Sänger Nikolai Tomás verwaltet nun das Erbe der Lokallegende, die schon vor dem Mauerfall mit ihrem russisch angehauchten Folk-Verschnitt eine Art Öffnung zum Osten antizipierte. Längst sind seine Rüschenhemden und Samtwesten eingemottet, die Haare kurz und Kollege Computer als musikalischer Partner akzeptiert. Doch warum nicht den einstigen Ruhm recyceln? Fortschritt durch Technik! Neun Produzenten haben das Debütalbum der „Poems“ noch mal durch ihre Mischpulte gejagt. Herausgekommen ist eine reizvolle Musikmutation, die den folkloristischen Habitus des Originals mit der unterkühlten Klangwelt der Neunziger versöhnt. Alter Wein in neuer Verpackung, aber man schmeckt noch deutlich die Geschmacksstoffe, die den einstigen Ruf begründeten: Das ins Kitschige spielende Sentiment, die dramatische Aura, mit der Tomás' Stimme timbriert – das weckt unterschwellige Erinnerungen an die ersten Tage im Post-Mauerfall-Berlin, die zwischen Morgenkaffee auf dem Winterfeldtmarkt und Flaschenbier in Ostberliner Kohleofenkneipen vergingen. Und ist damit natürlich vor allem etwas für hoffnungslose Nostalgiker. Daniel Bax

Rainbirds: Forever (Rough Trade)

Poems for Laila: Another Poem for the 21st Century – Remixes (Vielklang/EFA)

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