Village Voice: Hallo, Mainstream!
■ Viktoriaparks Album „In Teufels Küche
Deutsche Texte gehören nicht mehr allein den Grönemeyers oder Westernhagens, deutsche Texte müssen nicht doof sein, deutsche Texte sind – jetzt kommt's – in den Charts. Keine ganz taufrische Erkenntnis, aber inzwischen sind wir sogar so weit, daß deutsche Texte zwar noch nicht wieder peinlich, aber auch nicht mehr richtig cool sind. Zu verdanken haben wir das – HipHop mal außen vorgelassen – dem Teenie-Erfolg von Tocotronic, der Cleverness der Sterne, der erfolgreichen Übersetzung anglo-amerikanischer Muster durch Selig und vor allem der Panik der Plattenfirmen, den Trend nicht zu verpassen. Auch die Berliner Viktoriapark haben jetzt einen kleinen Vertrag mit einer großen Plattenfirma unterschrieben. Was sie unterscheidet von all den anderen Bands vor ihnen, die glaubten, sich behaupten zu können gegen den Konzern, ist, daß sie sich mit ihren Vorstellungen durchsetzten und ihr Debüt „In Teufels Küche“ aufnahmen, wie und mit wem sie wollten. Immerhin!
Nicht, daß man diese Tatsache unbedingt hören würde. Viel abzuschleifen gibt es nicht mehr auf „In Teufels Küche“. Es ist eine Pop-Platte geworden, wie man Pop-Platten früher gemacht hat, als elektronische Klangerzeugung noch von durchgeknallten Bastlern monopolisiert war. „Schräges Foto mit nur der Hälfte drauf“ klingt nicht nur wie ein Titel aus NDW-Zeiten, es beginnt auch mit einem rhythmischen Räuspern, das durchaus von dem seligen Trio stammen könnte. Sie selbst sprechen davon, die Pixies mit Reinhard Mey zu kontrastieren. Was vor allem bleibt, ist der Mey. Bei den Balladen sind sie nicht weit entfernt von Ulla Meinecke, aber das muß ja nicht das Schlechteste sein.
Handwerk ist also eine Kategorie, die man hier hören soll, die Songs haben ganz brav Strophe und Refrain, die Melodien kann man ebenso leicht mitsingen wie schnell wieder vergessen, und die Gitarren klingen halt wie Gitarren. Was nicht so überraschend ist, wenn man weiß, daß dafür Tex Morton mitverantwortlich ist, der u.a. bei Lüde und den Astros und den Lolitas spielte.
Selbst vorsichtige atonale Versuche wie in „Völlig ungeniert“, wo für wenige kurze Momente die Gitarre fies und dreckig klingt, dienen nur dazu, die extreme Süßlichkeit des Refrains besonders zur Geltung zu bringen. Ein Prinzip, dem sich auch die männlich-weiblichen Vocal-Duette unterordnen. Trotzdem: Die kleinen Brüche machen sich ganz herzig. Und eine Zeile wie „Alles, was nicht funktioniert, haben wir schon ausprobiert“ reimt sich zwar, aber ist doch vor allem sehr kokett, wenn man solch einen Willen zum Pop demonstriert.
Als programmatische Erklärung geht dann gleich der erste Song der Platte durch. „Wir waren jung, und wir brauchten das Geld“ ist ihr „Wir kommen, um uns zu beschweren“, aber im Gegensatz zur jugendlichen Naivität von Tocotronic, die nur Selbstzweifel, aber keine Distanz kennt, schwingt bei Viktoriapark jederzeit die Ironie älterer Semester mit, was schlußendlich vielleicht sogar ehrlicher ist. „Wir sind so genial, so genial“, singen sie, „so genial verlogen.“
Zwar hört man aus jedem Ton, aus jeder Silbe, daß sie nicht dazugehören wollen zum allgemeinen Deutsch-Pop-Aufbruch. Aber so viel ist klar: Man ist endgültig angekommen im Mainstream, und Viktoriapark sind halt auch ein Teil davon. Nur: Werden unsere Helden sich dort auch wohl fühlen? Werden die Hitlisten sie mit offenen Armen aufnehmen? Oder müssen sie demnächst wieder den Grashalmen im Park was vorsingen? Thomas Winkler
Viktoriapark: „In Teufels Küche“ (eastwest)
Live am 22.9., 21 Uhr, im Privatclub, im Keller des Restaurants Markthalle, Pücklerstraße 34, Kreuzberg
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