Vietnams Mutter Courage: Hien Duc erhält Preis von Transparency
Die achtfache Großmutter aus Hanoi kennt bei Korruption keine Gnade. Seit Jahren führt sie einen Feldzug gegen die weit verbreitete Korruption - eine Volksheldin.
Sie ist eine auffällig kleine, grauhaarige Dame. Doch wo die 75-jährige Le Hien Duc auftaucht, zittern in Vietnam Beamte um ihren Job, korrupte versteht sich. Denn die achtfache Großmutter aus Hanoi kennt bei Korruption keine Gnade. Die frühere Grundschullehrerin führt seit Jahren einen unerbittlichen Feldzug gegen die im Einparteienstaat weit verbreitete Korruption und ist so zur Volksheldin geworden. Für ihr Engagement wurde ihr in dieser Woche von der in Berlin ansässigen Organisation Transparency International (TI) der jährlich vergebene Integritätspreis zugesprochen. Sie teilt ihn sich mit dem Schweizer Kriminologen Mark Pieth.
"Ihr Respekt gegenüber Autoritäten endet dort, wo Korruption beginnt", erklärte TI. Gerechtigkeit verlange Beharrlichkeit, und Ducs Weigerung, Indifferenz zu akzeptieren, sei "eine Inspiration und ein positives Beispiel für alle, die unter Korruption leiden".
Kämpfen hat Duc gelernt. Sie zog gegen Franzosen und Amerikaner in den Krieg, wo sie Funksprüche dekodierte. Schon damals erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen. Auch nach ihrer Pensionierung 1984 kämpfte sie weiter für ihre Ideale. Heute gibt Duc zwei Drittel ihrer Monatsrente von 80 Euro für Internet, Telefon und Transporte aus. Mittlerweile hat sie drei Telefone in ihrer Wohnung. Aus dem ganzen Land erhält sie Anrufe und Zuschriften, in denen sich Vietnamesen über Korruption beklagen.
Doch während ihre meisten Landsleute obrigkeitshörig sind und lieber zahlen als sich zu beschweren, geht Duc unerschrocken vor. Dafür bekommt sie Blumen, gelegentlich in Form eines Trauerkranzes, was als Morddrohung gilt. Sie wurde auch bereits aufgefordert, Geld für einen Sarg zu sparen.
Doch Duc macht weiter. Sie stellt sich an Kreuzungen und fotografiert Polizisten, die illegal bei Autofahrern abkassieren. Sie brachte einen Schulleiter zu Fall, der am Mittagessen der Schüler sparte und das Geld einsteckte. Als sie in einem Ministerium immer wieder vertröstet wurde, fand sie die Handynummer des Ministers heraus und rief diesen direkt an. In einem anderen Fall telefonierte sie 30 Mal mit einem Minister. Kommt sie mit ihren Beschwerden in Behörden und Ministerien nicht weiter, lauert sie dem Leiter oder Minister vor dessen Privathaus auf und konfrontiert ihn direkt mit ihren Recherchen.
"Vietnam hat jeden Krieg gewonnen, den es gekämpft hat", sagt die Bewunderin des Revolutionshelden Ho Chi Minh. "Es gibt keinen Grund, warum wir den Krieg gegen die Korruption nicht gewinnen sollten." Im TI-Korruptionsindex steht das Land auf dem 123. von 179 Plätzen. Duc hat noch viel zu tun.
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