piwik no script img

VierschanzentourneeDie gefühligen Skispringer

Nach zwei Tourneeschanzen steht fest: Im neu adaptierten Wohlfühlambiente springen die Deutschen auch nicht viel weiter als im vergangenen Jahr. Im Gegenteil.

Martin Schmitt schaffte es beim Neujahrsspringen nur auf den achten Platz. : ap

INNSBRUCK taz Skispringen ist in Deutschland wieder zu einer staatstragenden Sache geworden. Der Boulevard wollte in Martin Schmitt so gerne den künftigen Gesamtsieger der Vierschanzentournee sehen, das Fernsehen auch. Eine Hochstimmung hatte sich verbreitet, dabei ist Schmitt noch nicht einmal aufs Siegerpodest gestiegen.

Vor einem Jahr lief es wesentlich besser für Deutschlands Flieger beim Neujahrsspringen: Ein gewisser Michael Neumayer durfte als Dritter an der Siegerehrung teilnehmen. Sogar in der Endabrechnung nahm er den dritten Platz ein. Doch daran denkt heute kaum einer. Wie ein Relikt aus vergangenen Tagen wirkt Neumayers Erfolg. Man war ja auch nicht selbstbewusst damit umgegangen. Es überwog Skepsis und das überdeutliche Gefühl, Neumayers Leistungen seien nur ein flüchtiges Hoch. Neumayer ist ja auch kein Schmitt, keiner, der schon vier WM-Titel in der Tasche hat und lukrative Sponsorenverträge. Neumayer ist inzwischen brav zurückgekehrt ins Team hinter Super-Martin, weil Schmitt jetzt wieder achtbare Resultate vorweisen kann und freundlich in die Kameras lächelt. Dass er auf Gesamtrang sechs zur Halbzeit platziert ist, ist ja an sich schon eine Überraschung nach all den mageren Jahren. Und: Peter Rohwein, Cheftrainer des Vorwinters, ist kein Werner Schuster.

Schuster ist seit April der Übungsleiter der deutschen Springer. Er ist ein Meister darin, für eine dufte Atmosphäre zu sorgen und überall das Gute zu sehen. Rohwein fühlte sich eher in der Defensive. Schuster ist offensiv. Er sagt: "Wir haben es geschafft, Stimmung und Begeisterung in die Öffentlichkeit zu transportieren."

Und erst als er dieses Stimmungsbild einer ganzen Nation in bunten Farben gemalt hat, kommt er am Freitag auf die Leistung seiner Schützlinge zu sprechen. Es sei "nicht die erhoffte Performance" gewesen in Garmisch, räumt er ein, weil auch andere Athleten wie Michael Uhrmann, Neumayer oder Stephan Hocke keine respektablen Sprünge gezeigt hatten. Er finde aber nicht, dass man zur Halbzeit der Traditionsveranstaltung schlecht dastehe. Und überhaupt: "Das Wort Enttäuschung mag ich nicht." Schuster bemüht wieder Stimmungen, die Atmosphäre, den guten Geist. Herhalten muss diesmal eine Gaudiveranstaltung vom Sommer, als deutsche und österreichische Springer vor der Fußball-EM am Innsbrucker Bergisel ein Sprungduell veranstaltet hatten. Deutschland hat damals gewonnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen