Vier von fünf Abluftfiltern mit Makel: Dicke Luft im Schweinestall

Seit 2013 muss die Abluft von großen niedersächsischen Schweineställen gereinigt werden. Die meisten Mäster haben die Filter, funktionieren tun sie allerdings nur selten.

Sieht als Ferkel niedlich aus, stinkt aber, wenn es mit tausenden Artgenossen zusammengepfercht wird: das Mastschwein. Foto: dpa

OLDENBURG taz |Den Anwohnern stinkt es gewaltig. „Die Luft, die wir täglich atmen, könnte schlagartig deutlich besser werden“, glaubt Hermann-Joseph Schomakers von der Anwohnerinitiative in Nordhümmling, einer rund 12.000 Einwohner zählenden Samtgemeinde im niedersächsischen Landkreis Emsland. Der Initiativensprecher weiß auch wie: „Es muss endlich Schluss sein mit den ungefilterten Ställen.“

Vergangene Woche wurde die schlechte Nachricht publik: Vier von fünf Luftfilteranlagen, wie sie in großen niedersächsischen Schweinemastanlagen seit zwei Jahren Pflicht sind, funktionieren nur mangelhaft. Das geht aus einer Bestandsaufnahme der zur Landwirtschaftskammer gehörenden Landwirschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (Lufa) Nord-West in Oldenburg hervor. Deren Experten entdeckten bei Kontrollen in den Landkreisen Cloppenburg, Nienburg und Vechta erhebliche Mängel bei den Luftfiltern, die vor allem den Austritt von Ammoniak und Stäuben aus den Ställen verhindern sollen.

Schon eine Lufa-Umfrage in den niedersächsischen Landkreisen ergab, dass von 364 großen Schweinehaltungsanlagen 78 gar nicht nicht mit dem vorgeschriebenen Filter ausgestattet sind. Dazu kommt: Dort, wo die Abluftreinigung installiert ist, funktioniert sie meist nicht. Bei Kontrollen beanstandete die Lufa 48 von 61 Anlagen, exakt 79 Prozent. Bei fast allen wies das elektronische Betriebstagebuch Mängel auf. Daten fehlten, Filter wurden nicht gewartet oder die chemische Abluftreinigung nicht ordnungsgemäß durchgeführt.

Bei mehr als der Hälfte der überprüften Anlagen war die Funktion des Filtersystems am Kontrolltag nicht im Sollbereich. Akute Überschreitungen der Abluftgrenzwerte bei Ammoniak ermittelten die Kontrolleure dagegen nur bei 14 Prozent, bei jeder zehnten Anlage drang deutlich zu viel Gestank aus den Filtern.

„Natürlich müssen sich die Mäster erst an die neue Technik gewöhnen, aber das sollte nach zwei Jahren selbstverständlich sein“, klagt Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirschaft (ABL), einen Zusammenschluss kleinerer Agrarbetriebe, die sich als Opposition zum Deutschen Bauernverband versteht. Niemann fordert eine „Verschärfung der Kontrollen“ und bei Verstoß gegen die Filterpflicht eine Erhöhung der Bußgelder, die derzeit so gering seien, dass die Landwirte sie „aus der Portokasse bezahlen“ könnten.

„Da die Kontrollen so lückenhaft sind, riskieren es die Betreiber einfach, die Filter abzuschalten oder nicht richtig zu betreiben“, glaubt auch Schomakers. Kontrolleur Lars Broer sieht da nicht das Problem: „Die Kontrollen haben funktioniert, der Missstand wurde ja aufgedeckt“, sagt er. „Nun aber werden die Landwirte, die eher Opfer sind, zu Buhmännern gemacht.“

Denn für Broer ist vor allem mehr Aufklärung für die Bauern notwendig, weswegen der Landkreis Cloppenburg eine Informationsoffensive gestartet habe. „Viele Landwirte haben zertifizierte Filter und glauben, alles zu tun, was geht“, sagt der Kontrolleur. “Doch viele Anlagen sind nicht mehr Stand der Technik oder viel zu klein, da muss nachgerüstet werden.“

„Anlagen, die nicht funktionieren, haben ihren Zweck eindeutig verfehlt“, bringt es der Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, Manfred Böhling, auf den Punkt. In Hannover will man die Messergebnisse nun „genau und kritisch auswerten“ und über eine „Verschärfung der Kontrollen“ nachdenken, die allerdings den Landkreisen obliegt. Und die haben oft wenig Neigung, den größten Arbeitgebern der Region allzu dicht auf den Pelz zu rücken. „Eine Verschärfung der Filterpflicht-Verordnung steht allerdings derzeit nicht zur Debatte“, betont der Ministeriumssprecher.

Kein Problem ist die Filterpflicht bislang in Schleswig-Holstein, wo sie 2014 eingeführt wurde. Der Grund: Großflächige Massentierhaltung fehlt dort. Laut Kieler Umweltministerium existieren in dem nördlichsten Bundesland gerade mal vier Filteranlagen, acht weitere sind genehmigt oder schon im Bau. Bislang wurde seit Einführung der Filterpflicht genau eine Kontrolle durchgeführt. Das Ergebnis: Alles ist in bester Ordnung.

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