: Viel Kopfschütteln
Über die Aufgeschlossenheit islamischer Organisationen wurde in der Katholischen Akademie heftig gestritten
„Wollen Sie überhaupt einen Dialog?“ Eine einfache Frage, die da ein Diskussionsteilnehmer an den Vertreter der islamischen Organisation Milli Görüs richtet. Man kann sie mit „Ja“ oder mit „Nein“ beantworten – oder auch einfach nicht beantworten können. Oder auch nicht beantworten wollen. Vielleicht ist es doch eine schwierige Frage.
Wer den Abend zum Thema „Ahnungslosigkeit und Zerrbilder: Zum Verhältnis von islamischen Organisationen und deutscher Öffentlichkeit“ am Montag in der Katholischen Akademie verfolgt hat, wird zumindest sagen können, dass es viele solche Fragen zum Islam gibt, seitdem er durch die New Yorker Terroranschläge ins öffentliche Interesse gerückt ist. Und mit den Antworten tun sich die islamischen Organisationen offenbar schwer. Eine Erfahrung, die die Forschung der Marburger Religionswissenschaftlerin Gerdien Jonker bestimmt. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit der islamischen Szene in Berlin und hat sich in die Strukturen der verschiedenen islamischen Organisationen eingearbeitet. Ihre Analyse stellt sie zu Beginn des Abends am Beispiel des „Verbands der Islamischen Kulturzentren“ und „Milli Görüs“ dar. Der Verband bilde eine religiöse Organisationsstruktur vergleichbar einer christlichen Amtskirche, Milli Görüs verstehe sich als Religionsermöglicher, indem sie beispielsweise Spenden für einen Moscheebau sammelt. Aber beiden sei eins gemeinsam: So gut wie keine Kontakte zur nichtislamischen „Außenwelt“. Dem „Kufr“, dem Unglauben, stünden beide gleichgültig gegenüber, so Jonker.
Die Auswirkungen sind fatal. Und es ist mühsam herauszubekommen, wie anders die Organisationen im Vergleich zu deutschen Standards arbeiten. Gerdien Jonker nennt zwei Beispiele: eine Diskussion zum Thema „Die Rolle der Frau im Islam“ mit dem Verband der Islamischen Kulturzentren und den gescheiterten Plan, in Kreuzberg das „Mevlana Kulturzentrum“ zu bauen. Beide Unterfangen könne man im Nachhinein „nur als Farce“ bezeichnen: Laut Jonker wurden bei der Diskussionsveranstaltung die beteiligten islamischen Predigerinnen nicht informiert, der Imam verwechselte strukturelle Gleichberechtigung mit religiöser Gleichwertigkeit und wurde nach der geplatzten Diskussion in der Gemeinde als Sündenbock geschnitten – er ging damit als aufgeschlossener Gesprächspartner verloren.
Beim Mevlana-Bauvorhaben hätten fehlende Deutschkenntnis und Missverständnisse zum Scheitern geführt. Jonkers Resümee: „Den islamischen Organisationen fehlt ein mittleres Management.“ Niemand kommuniziere die Entscheidungen der männlichen Führungsriege, die meist kein Deutsch spricht, nach außen oder umgekehrt.
Eine Behauptung, die nicht ohne Widerspruch bleibt. Die Situation habe sich mittlerweile gebessert, versichert ein Milli-Görüs-Mitglied aus dem Publikum. Und dennoch: Viele Mitglieder von christlichen Gemeinden sind gekommen, sie wollen in den Dialog mit dem Islam treten. Viele zählen positive Erfahrungen aus West- und Süddeutschland auf, und fast alle sind bei den Berliner Muslimen auf unerwartete Schwierigkeiten gestoßen. Und plötzlich geht es auch um die Frage: Zeigen die islamischen Organisationen vielleicht nur Dialogbereitschaft aufgrund von öffentlichem Druck? Wollen sie eigentlich unter sich bleiben? Kopfschütteln bei den wenigen Muslimen im Raum. Man müsse sich, bevor man diskutiere, klar sein, welche Vorteile ein Dialog überhaupt hat, merkt eine Diskussionsteilnehmerin an. Und sei ein weltlicher Dialog für eine spirituelle Gemeinschaft nicht einfach nur Ablenkung?
Die Fragen sind gut, die Feststellungen nüchtern und die Versuche der Muslime, sich zu erklären, redlich. Am Ende steht ein älterer Türke auf und sagt: „Ich habe 50 Jahre gebraucht, um den Islam zu verstehen.“ Dann erzählt er, was er für das Wesens des Islam hält – und drei andere Muslime im Raum schütteln heftig den Kopf.
MARKUS MÜNCH
Am 19. Januar findet in der Katholischen Akademie ab 10 Uhr eine Tagung zum Thema „Ethik aus Sicht des Christentums und des Islam“ statt
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