■ Videodrom: Zensur
Die Schließung des Videodroms letzte Woche hat inzwischen das ausgelöst, was früher „eine breite Welle der Solidarität“ hieß. Die Berliner Band Die Ärzte protestierte per Fax „gegen die Schließung eines wegweisenden Kulturstützpunktes“. Detlev Buck schickte eine Soliadresse, sogar Unterschriftenlisten kursieren. Extra angereist, um ihren Unmut über die polizeiliche Versiegelung ihrer Lieblingsvideothek auszudrücken, trafen sich gestern Franka Potente, Tom Tykwer, Sophie Rois und andere Promis im Eiszeit-Kino.
Da die rund 50 Polizisten scheinbar keine guten Filmkenner waren, haben sie, laut Thomas Klein vom Videodrom, neben potenziellen Pornos (Klein: „Hardcore führen wir eh nicht“) und Ballerfilmen fast alles mitgenommen, wo ein gewisser A. Hitler im Titel oder auf dem Cover auftaucht. So auch Erwin Leisers preisgekrönte Doku „Mein Kampf“ oder die US-TV-Serie „Holocaust“.
Klein fragte in die Runde, warum die Beschlagnahmer nicht auch „Schindlers Liste“ zur Kontrolle mitnahmen? Insgesamt 666 (sic!) Filme liegen bei den Behörden. Ab 9. 12. veranstalten die „Berliner Independent-Cinemas“ eine „Woche des beschlagnahmten Films“. Die wohl erste Filmreihe, die ein Gremium aus Staatsanwälten, Polizisten und dem Kreuzberger Wirtschaftsstadtrat Fischer („Euren Laden mache ich dicht“, soll der schon im Sommer gesagt haben) zusammengestellt hat. Unter anderem supergefährliche Ware wie: „Braindead“, „Violent Cop“ (Takeshi Kitano), „Underground“ (Emir Kusturica) oder der Film, in dem Kindern nicht explizit erklärt wird, warum Streichhölzer gefährlich sind: Lynchs' „Wild At Heart“. Ob und wann das Videodrom-Team wenigstens wieder in seine nun „sauberen“ Räume darf, hängt vom Bezirksamt ab. Die Aktion letzte Woche ist auch datenrechtlich bedenklich: Die Polizei verfügt über die kopierte Kundendatei des Videodroms. A. Becker
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