Video-Podcast „Besser als Krieg“: Kein Schnickschnack

Ein Wechsel zwischen lustigen und schmerzhaften Themen, kein inszenierter Streit. Dieses Format verweigert sich dem deutschen Talkshowtheater.

Drei Personen vor einer Holzwand.

Sham Jaff (links) und Samira El Ouassil (rechts) sprechen mit Oliver Polak zu eigenen Bedingungen Foto: RBB/ Patricia Haas

Ein wenig erinnert die Szene an ein Verhör. Ein dunkler Raum, helle Scheinwerfer, Oliver Polak schaut unbeholfen in die Leere. Wo stehen noch mal die Kameras? Dann stellt er die Eingeladenen der ersten Folge vor: die Journalistinnen Alice Hasters und Anna Dushime. Und schon wird gelacht. Die Nervosität schwindet, die Stimmung ist gut.

„Besser als Krieg“ heißt der neue Video-Podcast, der bei Radioeins und im RBB läuft. Das Konzept: Aus einer Kiste mit zwanzig Bällen ziehen die Gäste abwechselnd ein Stichwort, woraufhin zwölf Minuten lang über das gezogene Thema diskutiert wird. Läuft die Zeit ab, wird das Gespräch abgebrochen und das nächste Thema gezogen. Keine Einblenden, kein Publikum, kein Schnickschnack.

Oliver Polak hat sich das Format, bei dem jede Woche zwei Menschen zu Gast sind, selbst ausgedacht. Und er moderiert es auch. Wobei hier schon das erste Missverständnis liegt: Polak ist kein Moderator. Zumindest nicht im klassischen Sinn.

Er erzählt auch selbst, diskutiert mit, beantwortet, nun ja, seine eigenen Fragen. Er streitet sich mit Gästen, wie mit Samira El Ouassil in der zweiten Folge, ohne das letzte Wort zu haben. Schon die Stühle sollen betonen, dass der Moderator hier nicht im Mittelpunkt steht: Sie stehen in einem Dreieck, mit gleichberechtigtem Abstand.

Es geht nicht vorrangig um die eigene Identität

Anna Dushime, taz-Kolumnistin, zieht das erste Stichwort: „Ausländer“. Puh. Alice Hasters zieht zwölf Minuten später das zweite: „Toiletten“. Dushime erzählt, dass sie früher glaubte, die Scheiße weißer Menschen sei weiß. Es geht danach um Toilettengänge (im Büro, im Flugzeug, in Beziehungen), um Rassismus und um das diskrete Pupsen, um Udo Jürgens und die No Angels. Dann das Stichwort: „Tod“. Dushime erzählt vom Genozid in Ruanda von 1994, Polak von Angehörigen in Konzentrationslagern.

„Besser als Krieg“, Folge 3 am 4. Mai ab 20 Uhr auf radioeins.de und in der ARD-Audiothek, am 6. Mai um 0.30 Uhr im RBB

Diese Wechsel zwischen lustigen und schmerzhaften Themen funktionieren so gut, die Gespräche sind so intensiv, dass man fast das Wichtigste übersieht: Da sitzen drei Menschen, zwei Schwarze Journalistinnen und ein jüdischer Moderator, und sprechen in einem öffentlich-rechtlichen Gesprächsformat über Dinge, die nichts damit zu tun haben, dass sie Schwarz oder jüdisch sind. Und wenn sie doch darüber sprechen, dann zu ihren Bedingungen, mit ihren Worten. Selbstbestimmt eben.

Wie in der zweiten Folge, wo die Journalistinnen Samira El Ouassil und Sham Jaff über Väter und Terroranschläge und Horoskope sprechen, über das Ankommen, Dazugehören, Dazwischensein. Was die Eingeladenen sagen, ist so klug, dass man Polak fast ein wenig vergisst.

Eine Stärke der Sendung ist sicher, dass mit den bisher eingeladenen Women of Color endlich die Menschen, Sichtweisen, Erfahrungen gehört werden, die von Talkshows sonst übergangen werden. Das Format entzieht sich den üblichen Dynamiken: Es gibt keinen inszenierten Streit. Keiner der Gäste wird eingeladen, weil er eine bestimmte Position vertritt. Keiner dieser Menschen sitzt da, um etwas zu promoten.

„Die Gesprächspartnerinnen sind Journalistinnen, Kolumnistinnen, Autorinnen, wichtige Stimmen, die zwar jeweils ihre Plattformen haben, aber noch mehr gehört werden müssen“, sagt Polak der taz am Telefon.

Der Show gelingt es so, den Blick der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft sichtbar zu machen, der immer gleiche Talkformate in ermüdend vorhersehbare Gespräche treibt. „Besser als Krieg“ verweigert sich dem dümpelnden deutschen Talkshowtheater. Und zwar so gut, dass man sogar den merkwürdigen Vorspann verzeiht.

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