piwik no script img

VfL Wolfsburg in der Fußball-BundesligaKeine Lust, kein Leben

Vor dem entscheidenden Spiel um den Klassenerhalt wirkt der VfL Wolfsburg blutleer. Es herrscht Ruhe auf dem Trainingsgelände.

So mancher VFL-Fan singt dieser Tage: „Wir steigen ab, wir kommen nie wieder – wir haben Bruno Labbadia!“ Foto: dpa

Wolfsburg taz | Die Kulisse hatte etwas Gespenstisches. Als Chefcoach Bruno Labbadia bei einer der letzten öffentlichen Trainingseinheiten vor dem Saisonfinale vor seine Mannschaft trat, herrschte absolutes Schweigen. Kein Fan in Sicht, der sich lautstark beschwerte. Kein Zuschauer am Zaun des Übungsplatzes, der den Profis des VfL Wolfsburg Mut zusprechen wollte.

Der Frust rund um einen Verein, der sich in der Bundesliga zu Höherem berufen fühlt und doch wieder nur gegen den Abstieg kämpft, will einfach nicht in Leidenschaft umschlagen. „Wir können nichts einfordern“, sagt Labbadia, wenn er gefragt wird, ob am Samstag im Heimspiel gegen den 1. FC Köln mit der nötigen Rückendeckung im Stadion zu rechnen ist.

Wie es dazu gekommen ist, dass zwischen Fans, Verein und Mannschaft eine tiefe Kluft entstanden ist, lässt sich wohl in erster Linie mit Misserfolg in Serie erklären. In diesem Jahr hat der VfL Wolfsburg noch kein einziges Heimspiel gewonnen. Seine Hauptdarsteller sind nach ihren jüngsten Auftritten lautstark kritisiert und zum Teil angefeindet worden. „Lasst doch die Frauen spielen“ – natürlich ist ein solcher Zwischenruf, der auf die aktuell nicht zu bezwingenden Frauen des VfL Wolfsburg abzielt, wenig konstruktiv.

Dass in dieser Woche aber absolute Ruhe rund um das Trainingsgelände herrschte, mutet gespenstisch an. „Ich kann den Unmut der Fans komplett verstehen. Was auf dem Platz rumkommt, ist natürlich nicht viel“, gesteht Mittelfeldspieler Yannick Gerhardt. Mit einem Remis gegen Köln könnten sich die Wolfsburger noch in die Relegationsspiele gegen Holstein Kiel retten. Aber sich aus einem Stimmungstief heraus aufzuraffen und zu glänzen, ist eben gar nicht so einfach.

Nur ein einziger Sieg in zehn Spielen

Den letzten Versuch, proaktiv für einen Schulterschluss zwischen Fans und Mannschaft zu sorgen, haben die Vereinsführung und die sportliche Leitung verstreichen lassen. Am Mittwochabend hatte es in Wolfsburg ein Treffen der wichtigsten Fanklubs gegeben. Labbadia zog es vor, sich dort nicht zu zeigen, sondern lieber alle Konzentration auf die Arbeit mit dem Team zu richten. Vor jeder Trainingseinheit hält er in sehr ruhigem Tonfall seine Ansprachen. Jeder einzelne Spieler wird mit Handschlag begrüßt.

Weil Labbadia beim VfB Stuttgart (2011) und beim Hamburger SV (2015) schon einmal aus schlechten Mannschaften gerettete Teams gemacht hat, darf er in Wolfsburg seit Ende Februar den potenziellen Retter zu spielen. „Ich kenne solche Situationen. Ich weiß genau, was zu tun ist“, sagt der 52-Jährige. Was genau das sein könnte, verrät er nicht.

Ich kann den Unmut verstehen. Was auf dem Platz rumkommt, ist natürlich nicht viel

Mittelfeldspieler Yannick Gerhardt

Labbadia tritt auf wie einer, an dem Misserfolg einfach nur abperlen kann. Aber er hat beim VfL intern einen schweren Stand, weil ihm in zehn Partien mit Wolfsburg nur ein einziger Sieg gelungen ist. Seine Vorgänger Andries Jonker und Martin Schmidt waren deutlich erfolgreicher – und entsprechend beliebter.

„Arbeit, Fußball, Leidenschaft“

Leicht hat er es auch aus einem anderen Grund nicht. Die Liste der gestandenen und erstklassigen Profis, auf die Labbadia wirklich bauen kann, ist erschreckend kurz. Ein dringend benötigter Abräumer wie der Spanier Ignacio Camacho, der mutig vorangehen könnte, hat aus Verletzungsgründen zuletzt kaum mit dem Team trainiert. Offensivkraft Daniel Didavi, die mit Hilfe von Einzelaktionen den Unterschied ausmachen kann, leidet unter Problemen an der Achillessehne. Fast jede Startelf, die Labbadia zuletzt zusammengestellt hat, war ein Kuriosum. Entsprechend fehlte es am nötigen Zusammenhalt und am Selbstvertrauen.

Aber an wem außer dem dritten Trainer innerhalb einer Saison sollen sich die Spieler ausrichten? Die Geschäftsführung der VfL Wolfsburg Fußball GmbH ist nur noch rudimentär und ohne anerkannten Fußballfachmann besetzt. Labbadia hat vor dem 34. Spieltag auf ein erneutes Trainingslager und besondere Maßnahmen zur Stärkung des Miteinanders verzichtet. „Man müllt die Spieler nicht extrem zu“, sagt Labbadia. Sein Arbeitsvertrag bindet ihn theoretisch bis 2019 und auch in der 2. Liga an die Wolfsburger.

Aber an diesem Samstag stehen sein Job sowie das Große und Ganze auf dem Spiel. Nach 20 Jahren im Oberhaus tritt der VfL Wolfsburg wie ein Klub auf, dem es an Leben und Lust fehlt. Der Vereinsslogan „Arbeit, Fußball, Leidenschaft“ klingt derzeit wie ein ganz schlechter Scherz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die Artikel über Wolfsburg sind immer sehr zutreffend...der Verein und die Fans und die Wolfsburger Medien sind aber selber schuld, dass sie Martin Schmidt vergrault haben, jedes Spiel 1 Punkt ist immernoch besser als labbadia