VfL-Geschäftsführer über Profifußball: „Das Geld muss umverteilt werden“
Ein Aufstieg von kleineren Vereinen in die oberen Ligen wird immer unwahrscheinlicher, sagt Michael Welling, der Geschäftsführer des VfL Osnabrück.
taz: Herr Welling, mit welchem Etat geht der VfL Osnabrück in die Saison?
Michael Welling: Der Etat des Lizenzspieler-Bereichs liegt bei 4,3 bis 4,5 Millionen Euro.
Viele Klubs verschweigen ihre Zahlen. Warum sprechen Fußballvereine so ungern über Geld?
Ich vermute, dass es, wenn man einfach nur Zahlen nennt, zu einem Äpfel-Birnen-Vergleich kommt. Man muss klarmachen, über welche Bezugsgröße man spricht. Spricht man nur über den Lizenzspieler-Etat? Oder muss man da intensiver reinschauen und gucken, ob da alle Personalkosten enthalten sind und Transferausgaben? Und welche Personalkosten werden inkludiert? Ist da zum Beispiel ein Sportdirektor enthalten? Da hat man viele Unterschiede.
Welche finanziellen Einbußen hat der VfL durch den Abstieg erlitten?
Die größte Problematik, die wir haben, ist der Wegfall der Erlöse durch den Medien-Bereich. Das tut am meisten weh. In der Zweiten Liga waren wir am Ende der Medientabelle und haben etwa 9,3 Millionen Euro erzielt. In der Dritten Liga werden wir bei knapp einer Million Euro liegen. Das geht jedem Absteiger in die Dritte Liga so. In der Regionalliga ist der TV-Erlös gleich Null.
Glauben Sie, dass es eine Art finanzielles Fair Play im Profi-Fußball geben muss? Oder regelt der Markt alles?
1971 geboren, ist seit Februar 2021 Geschäftsführer des Drittligisten VfL Osnabrück. Vorher war der promovierte Wirtschaftswissenschaftler unter anderem bei Adidas und dem Sportrechte-Vermarkter SportFive sowie den Vereinen Rot-Weiß Essen und dem FSV Mainz 05 tätig.
Wir müssen berücksichtigen, dass der Sport eine ganze andere Branche ist. Deswegen glaube ich nicht, dass man dem freien Spiel der Kräfte alles überlassen sollte. Wir sind in Kooperenz zu unseren Mitbewerbern – zusammengesetzt aus Kooperation und Konkurrenz. Keiner kann sein Produkt alleine anbieten. Man braucht immer einen Gegner, um ein vermarktbares Produkt herzustellen. Man muss über Maßnahmen nachdenken, um den Spannungsgrad hochzuhalten und darüber, wie man die Medienerlöse verteilt. Es muss zu Ausgleichs- und Umverteilungsmechanismen kommen, um die Attraktivität des Spiels hochzuhalten.
Sie kennen durch Ihre Tätigkeiten bei RW Essen, Mainz 05 und nun dem VfL Osnabrück die Verhältnisse von der 1. bis zur 4. Liga. Was sind die größten Unterschiede zwischen den Ligen?
Die finanziellen Unterschiede sind gewaltig. Je höher man kommt, desto mehr Geld ist da, mit dem man agieren kann. Man hat mehr Möglichkeiten, in Personal oder Infrastruktur zu investieren, langfristig Projekte zu planen und strategische Entscheidungen zu fällen. Je tiefer man kommt, desto weniger ist möglich und die kurzfristige Perspektive überwiegt zu oft.
Können Sie ein Beispiel nennen?
In Mainz hatten wir ein Ticketing-Team mit vier Personen, in das noch andere Leute involviert waren. In Osnabrück haben wir einen Ticketing-Manager. In der 4. oder 3. Liga muss man kreativer sein. Die organisatorischen und administrativen Tätigkeiten sind in der 3. Liga die gleichen wie in der 2. oder 1. Liga. Das unterschätzt man manchmal.
Glauben Sie, dass es heute noch möglich ist, mit einer talentierten, aber armen Mannschaft den Aufstieg in die höheren Etagen des Fußballs zu schaffen?
Möglich ja, aber es wird immer unwahrscheinlicher. Es gibt aber Beispiele wie den SC Paderborn, die in der 3. Liga sportlich abgestiegen waren und nur durch den Lizenzentzug von 1860 München in der Liga geblieben sind. Und dann haben sie den Durchmarsch in die 1. Liga geschafft. Aber die Dauerhaftigkeit war das Problem. Die Spieler folgen dem Geld. Das ist auch nicht verwerflich. Da sollte man nicht moralisieren. Dadurch wird es aber schwierig, eine gute Mannschaft durch gutes Scouting aufzubauen, weil Wettbewerber mit anderen finanziellen Möglichkeiten die Spieler oder Trainer weglocken.
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