VfB Stuttgart im Abstiegskampf: Return of the Bruddler
Trias der Mangelhaftigkeit: Der VfB Stuttgart muss in den Bereichen Konzentration, Wettkampfhärte und Leidensbereitschaft mehr bringen.
Der Aufstieg nach dem Abstieg schaffte wieder ein großes, positives Gefühl für den VfB. Dienstagnacht aber kehrten die Bruddler zurück; es war ja auch ein ärgerliches Schauspiel, das die VfB-Profis in Mainz aufgeführt hatten. Die Dramatik bei der 1:3-Pokalpleite war einfach zu grotesk. Und einer sagte auf der Zugfahrt nach Hase kurz vor Mitternacht: „Wenn’s das nächste Mal Elfmeter gibt, geh ich heim.“
Für alle, die mit dem VfB fiebern, ist der freie Schuss aus elf Metern in den letzten Tagen zum Albtraum geworden. Am vergangenen Freitag vergab VfB-Stürmer Chadrac Akolo einen Strafstoß in der Nachspielzeit gegen den FC Bayern, die Stuttgarter verloren zum Vorrundenabschluss in der Liga mit 0:1. Und Dienstagnacht scheiterte Routinier Dennis Aogo im Pokalspiel in Mainz vom Elfmeterpunkt – nach 54 Minuten, beim Stand von 1:0 für die Schwaben.
Am Ende bedeutete die Parade von FSV-Torwart Zentner den Wendepunkt eines wilden Pokalspiels, das die Mainzer durch Tore von Berggreen (62.), Diallo (71.) und Serdar (90.) drehten. Seit langer Zeit wurden die Stuttgarter Profis beim Gang in die Kurve nach dem Abpfiff von ihren Anhängern mal wieder ausgepfiffen. Zwei verschossene Elfmeter und die fünfte Pflichtspielniederlage in Folge verhagelten den Schwaben den Jahresausklang.
Die Verantwortlichen wählten drastische Worte nach der erneuten Pleite. „Die letzten Wochen waren Schrott“, haderte VfB-Trainer Hannes Wolf. „Uns fehlen einfach Konsequenz und Konzentration und somit ein Stück Mentalität in den entscheidenden Momenten. Wir müssen in der Rückrunde schärfer werden.“ Und auch Sportvorstand Michael Reschke sah keinen Anlass, besonders nachsichtig zu sein, nur weil einige wichtige Spieler nicht einsatzfähig waren (u. a. Badstuber, Pavard, Ginczek): „Vor allem die erste halbe Stunde war mächtig enttäuschend“, schimpfte Reschke.
Konzentration und Leidensbereitschaft
Mainz hätte längst in Führung liegen müssen, bevor VfB-Kapitän Christian Gentner das 1:0 für die Gäste nach schönem Doppelpass mit Akolo erzielte (41.). Und dann, fand Reschke, sei es fast schon Slapstick gewesen, als Aogo erneut einen Elfmeter verschossen und Akolo nach einem Schuss von Josip Brekalo per Kopf quasi für den Gegner auf der Linie gerettet habe (70.). Man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sagt Reschke. Im Trainingslager nach der kurzen Weihnachtspause werde er die Themen Konzentration und Leidensbereitschaft klar ansprechen.
Priorität hat in den nächsten Tagen aber die Suche nach einem Stürmer, der ohne Eingewöhnungszeit Tore garantiert. Mit nur 13 Treffern in 17 Ligaspielen stellen die Stuttgarter den zweitschwächsten Angriff der Bundesliga. Gestern gab der Klub bekannt, dass Aufstiegsheld und Zweitligatorschützenkönig Simon Terodde zum 1. FC Köln wechselt (Ablösesumme: rund 3 Millionen Euro). Teroddes Weggang macht eine Planstelle frei, der Klub ist offenbar bereit, rund 10 Millionen Euro in die Hand zu nehmen, um der Mannschaft mehr Durchschlagskraft zu verleihen. Bei diesem Betrag jedenfalls stieg der Klub jüngst aus dem Bieterwettbewerb um den Argentinier Maximiliano Romero von Vélez Sarsfield aus.
VfB-Trainer Wolf
Auf der Kandidatenliste stehen offenbar Cenk Tosun von Beşiktaş Istanbul und Guido Carrillo vom AS Monaco. Wobei Reschke und Wolf überzeugt sind, dass der aktuelle Kader auch ohne Verstärkungen genug Potenzial besitzt, um die Klasse zu halten. Viele talentierte VfB-Profis spielen gerade ihre erste Bundesligasaison, sie befinden sich im Bereich Wettkampfhärte in einem Lernprozess, zumal nach dem 2:1-Sieg gegen Dortmund vor vier Wochen schon vom Europapokal geträumt wurde.
Die Zukunftsvision von Klubboss Wolfgang Dietrich ist es, den VfB in den nächsten Jahren im oberen Drittel zu etablieren. Nun aber steckt die Elf erst mal tief im Kampf gegen den Abstieg, und ein VfB-Fan erkannte Dienstagnacht ziemlich ernüchtert: „Leichter wird’s im neuen Jahr nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“