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Veteranentag in BerlinDanke für Euren Einsatz, Antifa Werkstatt

Lilly Schröder
Kommentar von Lilly Schröder

Mit einer Adbusting-Aktion protestieren Ak­ti­vis­t*in­nen bundesweit gegen den „Nationalen Veteranentag“. In Berlin wurden 100 Vitrinen gekapert.

Adbusting-Aktion: „Deutscher Mix: Nazis, Munition, Einzelfälle“ Foto: Antimilitaristisches Aktionsnetzwerk

A dbusting ist wie „Deine-Mudda- Witze“: unverschämt unoriginell und trotzdem erstaunlich witzig. Zum Beispiel, wenn am Hauptbahnhof ein Werbeplakat im Bundeswehr-Flecktarn auftaucht, auf dem steht: „Deutscher Mix: Nazis, Munition, Einzelfälle“. Darunter das Bundeswehr-Logo leicht abgeändert: „Braunes Heer“ statt „Bundeswehr“. Besonders lustig wird es, wenn sich dann drei Polizisten an dieser Plakatvitrine zu schaffen machen, um diesem staatszersetzenden, vaterlandsverräterischen Unfug umgehend ein Ende zu setzen!

Das Plakat am Hauptbahnhof ist eines von über 100 gefälschten Plakaten, die Ak­ti­vis­t*in­nen aus der Werkstatt für Antifaschistische Aktionen am Samstagmorgen in Werbevitrinen der BVG platzierten – geöffnet mit einem Rohrsteckschlüssel aus dem Baumarkt. Wo sonst auf Bundeswehrplakaten traditionsverherrlichendes, völkisches Gelaber steht, wie: „Holma? Lassma? Tuma? Unsere Azubis haben noch richtige Namen“, prangt nun zum Beispiel „Mit Nazipreppern abhängen?“.

Hintergrund der Aktion ist der erste „Nationale Veteranentag“, der am Sonntag mit einem „Bürgerfest“ auf der Reichstagwiese begangen wird. Offizielles Ziel: das „Band zwischen Bundeswehr und Gesellschaft stärken“. Zu diesem Anlass werden in mehreren Bundesländern alle öffentlichen Gebäude beflaggt. Das Antimilitaristische Aktionsnetzwerk in der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsgegner*innen, das zu der Adbusting-Aktion aufgerufen hat, kritisiert: „Der Veteranentag ist ein weiterer Schritt, den militärischen Mordapparat in der Öffentlichkeit schrittweise zu normalisieren.“

Gegen Normalisierung

Dem wollen sie mit der Plakataktion etwas entgegensetzen –und es kam offenbar gut an: Viele Pas­san­t*in­nen hätten mit Zustimmung reagiert, so die Aktivist*innen. Nur ist Berlin nicht repräsentativ für Deutschland oder wie Fritze zu sagen pflegt: „Nicht Kreuzberg ist Deutschland!“ Eine in dieser Woche veröffentlichte Forsa-Umfrage zeigt: 59 Prozent der Deutschen sprechen sich für die Rückkehr zur Wehrpflicht aus, nur 37 Prozent lehnen sie ab.

In den 12 weiteren deutschen Städten, in denen die Adbusting-Aktion stattfand, könnten die Reaktionen daher deutlich verhaltener ausgefallen sein. Nicht zuletzt, weil im Vorfeld des Veteranentags intensiv Stimmung vom Reservistenverband und dem Bund Deutscher Einsatzveteranen gemacht wurde – (Letzterer mit einem Lorbeerkranz-Logo, das dem der Neonazikleinstpartei „Der 3. Weg“ ungechillt ähnlich sieht).

Was? Rechtsextremismus in der Bundeswehr?! Soll’s geben: Dem Jahresbericht des Verteidigungsministeriums zufolge gab es allein im Jahr 2023 916 rechtsextreme Verdachtsfälle. 62 Bundeswehrangehörige wurden 2023 wegen rechtsextremistischer Einstellungen entlassen, darunter 10 Offiziere.

Doch die Bundeswehr zeigt sich traditionsverliebt und geschichtsvergessen wie eh und je. Der Veteranentag setzt diese Linie fort. Ein Dank gebührt deshalb einzig der Antifa Werkstatt: Danke für Euren Einsatz!

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Lilly Schröder
Redakteurin für Feminismus & Gesellschaft im Berlin-Ressort Schreibt über intersektionalen Feminismus, Popkultur und gesellschaftliche Themen in Berlin. Studium der Soziologie und Politik.
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1 Kommentar

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  • Es ist eine Schande, Soldatinnen und Soldaten pauschal als Nazis zu diffamieren. Wer ein Plakat mit „Braunes Heer“ versieht, verunglimpft nicht nur Einzelne, sondern Hunderttausende, die mit Überzeugung und Mut diesem Land dienen. 916 rechtsextreme Verdachtsfälle bei rund 180.000 aktiven Soldaten, das sind 0,5 %. Jeder Fall ist einer zu viel. Aber 62 Entlassungen zeigen, dass die demokratische Kontrolle funktioniert.

    Während Soldaten Sandsäcke bei Hochwasser stapeln, wirft die Antifa Steine auf Polizisten und gefährdet gezielt deren Gesundheit und Leben – um dann diejenigen, die dieses Land verteidigen, als „Mörder“ zu beschimpfen. Das ist blanke Heuchelei. Wer wirklich für Frieden und Gerechtigkeit einsteht, zerstört nicht, sondern schützt. Statt Plakate zu manipulieren, hätten die Aktivist*innen ihre Energie besser in echte Hilfe gesteckt – für die Gesellschaft, nicht gegen sie.

    Wer so auftritt, stärkt am Ende nur die Ränder, nicht den Zusammenhalt. Selbst die AfD dürfte sich für diese Aktion bei der Antifa bedanken. Sorgt sie doch wieder nur für Unmut bei den Großteil der Gesellschaft.