Verzicht auf Staatshilfen: GM plötzlich wieder reich genug
Der US-Konzern General Motors zieht alle Anträge auf Staatshilfen zurück und will die Sanierung aus eigenen Mitteln finanzieren. Dennoch ist kein zusätzlicher Stellenabbau geplant.
Der amerikanische Automobilkonzern General Motors (GM) verzichtet auf sämtliche Staatsbürgschaften für seine angeschlagenen europäischen Töchter Opel und Vauxhall. GM und Opel hätten entschieden, die Finanzierung ihres Europa-Geschäfts "intern zu regeln", ließ der Vorsitzende der Opel-Geschäftsführung, Nick Reilly, am Donnerstag um 13 Uhr 59 überraschend per E-Mail verkünden. Zwar habe sich am Finanzbedarf von insgesamt 3,3 Milliarden Euro nichts geändert. Allerdings sei der 2009 aus der Insolvenz wiederauferstandene GM-Mutterkonzern wieder derart flüssig, dass er die Sanierung von Opel und Vauxhall aus eigener Kraft meistern könne, sagte Reilly bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten am späten Nachmittag: "Das Geld stammt aus den weltweiten Ressourcen von GM." Hintergrund der Hilfe des Mutterkonzerns sind Sanierungsbeiträge der Arbeitnehmerseite in Höhe von europaweit 265 Millionen Euro jährlich, auf die GM offenbar keinesfalls verzichten wollte. Bis 2014 verlieren die Beschäftigten damit Lohn- und Gehaltsansprüche von über einer Milliarde Euro: Urlaubs- und das Weihnachtsgeld werden halbiert, Tariferhöhungen und Einmalzahlungen gestrichen. Düpiert werden mit dem Verzicht auf Staatsbürgschaften auch die deutschen Opel-Standortländer Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Die dortigen, von CDU und SPD gestellten Landesregierungen hatten erst am Dienstag bekräftigt, mit rund 800 Millionen Euro für den Autobauer bürgen zu wollen. FDP-Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle dagegen hatte Unterstützungen des Bundes abgelehnt, sich damit gegen CDU-Kanzlerin Merkel durchgesetzt und die Krise der Berliner Koalition verschärft. "Enttäuscht" kritisierte auch Opel-Boss Reilly das "schwierige politische Klima" in Deutschland: "Diesen langen bürokratischen Prozess konnten wir uns einfach nicht länger leisten." Stellenstreichungen über den bereits beschlossenen Abbau von 8.300 der europaweit verbliebenen 48.000 Jobs hinaus schloss der Konzern zunächst aus. Entsprechend erleichtert zeigte sich der Vorsitzende des europäischen Gesamtbetriebsrats, Klaus Franz: "Nach über eineinhalb Jahren der Unsicherheit" übernehme General Motors wieder die "volle und alleinige Verantwortung für Opel". Der Betriebsratsvorsitzende der Bochumer Opel-Werke, Rainer Einenkel, hatte dagegen noch unmittelbar vor der Entscheidung des GM-Mutterkonzerns Staatsbürgschaften angemahnt und langfristige Jobverluste angedeutet: "Ich befürchte, dass möglicherweise weniger Investitionen getätigt werden, dass notwendige Investitionen vielleicht verschoben werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau