Verwirrung um Tötung von Zootieren: Mahlzeit Muntjak
Der Leipziger Zoo muss seine Kleinhirsche wegen der EU schlachten, berichteten Medien. Die EU sieht das anders. Was war da los?
So meldete beispielsweise Bild.de „Zoo muss Kleinhirsche wegen EU-Verordnung schlachten“ und welt.de titelte sogar, dass es sich um ein „EU-Gesetz“ handele. Auch das Kremlsprachrohr Sputniknews entdeckte sein Herz für den Muntjak und berichtete, der Leipziger Zoo müsse wegen der neuen EU-Verordnung nun auch seine chinesischen Kleinhirsche töten, wie Die Welt unter Berufung auf eine Erklärung des Tierparks berichte – dabei ist Sputniknews Credo über das zu berichten, worüber andere schweigen.
Tiere schlachten für Brüssel? So klang es vermeintlich nach einer Mitteilung des Leipziger Zoos. Der Zoo stelle die Zucht wegen der EU-Verordnung ein, hieß es darin. „Die verbliebenen Tiere werden bis auf Weiteres im Zoo Leipzig gehalten und perspektivisch für die artgerechte Fütterung der Raubtiere geschlachtet.“ Auch die dpa griff die Mitteilung auf und machte daraus die Schlachtemeldung.
Raubtiere fressen tatsächlich andere Tiere – sogar im Zoo. Meldungen darüber sorgten auch in der Vergangenheit für Aufregung, zum Beispiel als im Kopenhagener Zoo eine Giraffe an Löwen verfüttert wurde. Dass die Verfütterung an Raubtiere üblich sei, hatte auch der Leipziger Zoo mitgeteilt. Das fiel aber unter den Tisch.
Widerspruch kam später von der Europäischen Kommission, die kürzlich Fakenews als Problem für sich entdeckt hat. Die Verordnung schreibe das Töten von Tieren nicht vor, erklärte Reinhard Hönighaus, Sprecher der EU-Kommission in Deutschland. Zoos könnten die in der Verordnung aufgeführten Tiere bis zu deren natürlichen Tod halten.
Böse Nasenbären, invasive Ochsenfrösche
Der Zoo hatte sich auf ein EU-Papier bezogen, das 37 Tierarten aufführe, die sich außerhalb ihres Ursprungsraumes ausbreiteten und dadurch eine Gefahr für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt darstellten. Darunter sind Arten wie der Rote Nasenbär, der Nordamerikanische Ochsenfrosch und auch die in Leipzig gehaltenen Chinesischen Muntjaks. Für die in der Liste aufgeführten Arten gelten laut Hönighaus derzeit noch Übergangsfristen, innerhalb derer die Tiere verkauft werden dürften. Im Fall der Muntjaks laufe die Frist bis zum 2. August 2017.
Laut Hönighaus ist der Zoo lediglich dazu verpflichtet sicherzustellen, dass sich die Muntjaks nicht weiter vermehren oder entkommen können. Bis zum Ablauf der Übergangsfristen dürften sie jedoch durchaus transportiert werden, auch in andere EU-Staaten.
Chinesische Muntjaks haben eine Schulterhöhe von lediglich 50 Zentimetern. Im 19. Jahrhundert waren einige Exemplare von China nach England exportiert worden. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden einige Tiere aus einem Park freigelassen. Sie verbreiteten sich schnell über weite Teile der britischen Insel. Was britische Muntjaks wohl vom Brexit halten?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW