Verwilderter Spreepark in Berlin: Die Auferstehung der Saurier

Ab heute dürfen Bürger bei der Planung für das verwunschene Gelände im Plänterwald mitreden. Sicher ist: Das Riesenrad geht bald wieder in Betrieb.

Noch liegt er da, der Saurier: Bald könnte es mit der Ruhe für ihn vorbei sein Foto: taz

Ein stetes, fast rhythmisches Quietschen zieht sich über das Gelände, mal klingt es wie ein Jaulen, dann wie ein Jammern, gefolgt von einem Knacken. Es ist nicht schrill, gleicht eher einem Singsang, bleibt aber hängen im Ohr. Das Quietschen ist der Soundtrack des Spreeparks, dieses verwunschenen einstigen Vergnügungsparks im Treptower Plänterwald.

Es kommt vom 40 Meter hohen Riesenrad, dem weithin sichtbaren Wahrzeichen des Parks. Es dreht sich, immer noch, angestoßen vom Wind, obwohl es seit 2001 nicht mehr in Betrieb ist. Es muss sich auch drehen können, weil sonst die Naturgewalten seine Fundamente langsam zerstören würden. Und es wird sich wieder richtig drehen. Den Anstoß dazu gibt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Mit knapp 100.000 Euro will Senator Andreas Geisel (SPD) das Rad sanieren und als Attraktion nutzen. Das kündigt er am Donnerstag bei einer Begehung des Geländes an.

Das gesamte Areal soll in wenigen Jahren für alle Berliner offen stehen, so Geisel. Wie es dann aussieht, das möchte er zusammen mit Kreativen, Landschaftsplanern und den Berlinern entscheiden. Am heutigen Freitag findet die erste, auf vier Stunden angelegte öffentliche Dialogversammlung statt, bei der Ideen vorgetragen werden dürfen. Der Senator verspricht: „Wir werden uns Zeit nehmen für die Entwicklung dieses magischen Ortes.“

Tatsächlich ist der 1969 eröffnete und nach seiner Pleite vor 15 Jahren langsam überwucherte Vergnügungspark zum Symbol geworden für die Stadt selbst; für das „Arm, aber sexy“-Berlin der nuller Jahre, das mit seiner Unberechenbarkeit und Brachen attraktiv für junge Menschen aus aller Welt war. Das Riesenrad ist längst eine Ikone, genau wie die umgestürzten Dinosaurierfiguren auf dem Gelände, die – obwohl eigentlich nicht zugänglich – tausendfach fotografiert im Internet zu finden sind.

Der ehemalige VEB Kulturpark Berlin war der einzige Vergnügungspark der DDR. 1969 wurde er zum 20. Jahrestag der Staatsgründung nahe der Spree eröffnet. Der spätere Spreepark war auch Drehort der Kinder-Grusel-Serie „Spuk unterm Riesenrad“.

2001 wurde der Freizeitpark nach Insolvenz geschlossen. Der Betreiber Norbert Witte setzte sich mit Familie und einigen Fahrgeschäften nach Peru ab und hinterließ Schulden von mehr als 10 Millionen Euro.

Die Rummelreste verfielen. Das eingezäunte Gelände mit den alten Attraktionen entwickelte sich zum „Lost Place“, zog Fotografen und Entdecker an, die illegal über den Zaun kletterten.

2014 kaufte der Berliner Liegenschaftsfonds den Spreepark zurück. 2016 übernahm die landeseigene Grün Berlin GmbH das Areal. (dpa, taz)

2014 hat das Land Berlin das mit hohen Schulden belastete Gelände zurückgekauft; seit Anfang 2016 verwaltet es die landeseigene Grün Berlin GmbH. Deren Mitarbeiter haben es teilweise begehbar gemacht, berichtet Grün-Berlin-Chef Christoph Schmidt. „Derzeit machen wir eine Bestandsaufnahme, in welchen Zustand die Gebäude sind und welche wir erhalten könnten“, sagt er.

Denn Senator Geisel will auf jeden Fall verhindern, dass der Ex-Spreepark nun, in den zehner Jahren, ein Symbol für die viel beklagte Aufwertung der Stadt, für die Verdrängung der Kreativen aus der Innenstadt wird. „Es geht hier nicht um Kommerz“, betont er, sondern um „Stadtplanung von unten“. Als Erstes wird derzeit das am Parkrand gelegene, völlig verfallene Ausflugslokal „Eierhäuschen“ für sieben Millionen Euro denkmalgerecht saniert. Ab 2018 soll es wieder als Gaststätte und für Ateliers von Künstlern genutzt werden.

Und was wird aus dem 24 Hektar großen Gelände, für dessen Verwandlung 3 Millionen Euro zur Verfügung stehen? Vieles sei möglich, sagt Geisel, der sich selbst noch erinnern kann, wie er „an der Hand seines Vaters“ den DDR-Vergnügungspark besucht hat. Er denkt an einen „Ort für Kunst und Kreativität“. Bestehende Bürgerinitiativen, die die Wiederauferstehung des Vergnügungsparks oder eine reine Naturlandschaft fordern, würden in die Debatte einbezogen. Geisel hält Ersteres indes für kaum möglich: Um rentabel zu sein, sei die Fläche doch zu klein.

Wichtig ist ihm jedoch, dass möglichst viele der einstigen Attraktionen des Parks erhalten bleiben – wenn es geht. Eher schlecht sieht es aus für den künstlichen Berg, der Startpunkt für die Wildwasserbahn. Die Spritzbetonkonstruktion sei innen marode und nicht zum Besteigen geeignet, sagt Christoph Schmidt. Er könne sich aber vorstellen, die löchrigen Saurier zu restaurieren. Auch die Berg-und-Tal-Bahn sei noch ganz gut in Schuss und könnte zumindest als Kulisse erhalten bleiben. Im Frühjahr 2017 soll ein Rahmenkonzept stehen, sagt Schmidt. Dann sehe man weiter.

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