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Verweigerte Abschiebung in BerlinPiloten unterstützen Kollegen

Die Pilotenvereinigung Cockpit stellt sich hinter einen Flugkapitän, der sich einer Abschiebung verweigerte. Einem protestierenden Fluggast droht eine Geldstrafe.

„Nachvollziehbare Aktion“: Diesmal schob Air Berlin nicht ab. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach dem Last-Minute-Stopp einer Abschiebung durch den Protest eines Fluggastes in einem Air-Berlin-Flieger stellt sich die Pilotenvereinigung Cockpit hinter den Flugkapitän. „Sein Vorgehen war nachvollziehbar“, sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg der taz. Rechtlich habe der Pilot in dem ihm zugestandenen Rahmen gehandelt.

Der pakistanische Flüchtling Usman Manir sollte vor elf Tagen mit einem Air-Berlin-Flieger vom Flughafen Tegel nach Budapest abgeschoben werden. Vor dem Start aber weigerte sich der kanadische Fluggast François-Xavier Sarrazin, sich zu setzen, bevor Manir nicht die Maschine wieder verlassen habe. Der Pilot verwies darauf beide aus dem Flugzeug.

„Dieser Ermessensspielraum steht ihm offen“, sagte Cockpit-Sprecher Handwerg. In einer Empfehlung des Verbands an ihre Piloten wird geraten, „sich nur an Abschiebungen zu beteiligen, bei denen der Abschübling freiwillig fliegt“. Sei die Person gefesselt, unter Beruhungsmitteln oder in Begleitung mehrerer Polizisten, könne diese Freiwilligkeit bereits „verneint“ werden. Ob der Air-Berlin-Pilot als Vorbild tauge, wollte Handwerg nicht sagen. „Das ist eine politisch-gesellschaftliche Frage, die andere klären müssen.“

Gestoppte Ausreisen

Die gestoppte Abschiebung von Tegel ist kein Einzelfall. Laut einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Linken-Anfrage mussten 2012 bundesweit 93 Ausweisungen abgebrochen werden, weil sich der Abzuschiebende wehrte, 42 wegen medizinischer Bedenken. In 22 Fällen scheiterte die Abschiebung, weil sich Piloten verweigerten. Am häufigsten gehörten sie zur Lufthansa oder zu Brussels Airlines. (ko)

Air Berlin wollte sich zu dem Fall nicht äußern. Eine Sprecherin verwies auf die laufenden polizeilichen Ermittlungen. Sie betonte nur, dass ihre Fluglinie gesetzlich verpflichtet sei, „alle Fluggäste mit gültigen Flugtickets zu befördern“.

Usman Manir sollte nach Ungarn abgeschoben werden, weil er dort nach seiner Flucht aus Pakistan zuerst EU-Boden betreten hatte. Nach eigenen Auskünften floh er vor den Taliban, wurde aber auch in Ungarn in einer Asylunterkunft von Unbekannten schwer am Kopf verletzt. Im Mai war der 27-Jährige im sächsischen Pirna aufgegriffen worden. Nach der gestoppten Abschiebung befindet sich Manir wieder im brandenburgischen Eisenhüttenstadt in Abschiebehaft. Diese wurde laut Unterstützern bis zum 11. Juli verlängert.

Geldbuße bis 25.000 Euro droht

Bundespolizei und Behörden wollten sich nicht zu einem neuen Abschiebetermin äußern. Manirs Unterstützer forderten, den Flüchtling durch einen externen Mediziner noch mal untersuchen zu lassen und nicht abzuschieben. Eine entsprechende Petition erhielt bis Sonntagnachmittag 1.263 Unterschriften. Sie soll Anfang der Woche den Innenministerien in Brandenburg und im Bund übergeben werden.

Die Bundespolizei prüft derweil weiter strafrechtliche Konsequenzen gegen den protestierenden Fluggast Sarrazin. Eine Sprecherin sagte, aller Voraussicht nach laufe es auf eine Ordnungswidrigkeitsanzeige nach dem Luftsicherheitsgesetz hinaus. Dort drohen Geldbußen bis zu 25.000 Euro, wenn sich ein Passagier Anweisungen des Flugkapitäns oder Crewmitgliedern widersetzt.

Sarrazin selbst sagte, ihm sei noch kein Strafvorwurf gemacht worden. Sein Einschreiten bereue er nicht. „Hier sollte ein offensichtlich ernsthaft kranker Mensch ausgewiesen werden, das kann nicht richtig sein.“

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15 Kommentare

 / 
  • RB
    Rainer B.

    Abschiebehäftlinge befinden sich immer in einer psychischen Extremsituation, die jederzeit zu unkontrollierbaren Aktionen führen können.

    Zudem war der Mann auch körperlich verletzt.

    Verantwortungsvolle Flugkapitäne gehen ein solches Risiko nicht ein.

    Man sollte eher die Flugkapitäne zur Rechenschaft ziehen, die trotzdem Abschiebehäftlinge mitnehmen.

    Mir wäre als Fluggast nicht wohl dabei.

  • KM
    Kein mensch ist Illegal!

    @schmidt Georg

    Was verstehen sie nicht? Die Menschenrechte?

  • E
    Eumel

    Wann wird die EU endlich auch in Sachen Einwanderung und Aufenthaltsrecht eine Einheit statt eines Haufens von lausigen Kleinstaaten?

  • K
    Keinhessenhasser

    Schlimm ist doch, das die Bundespolizei, die sich bisher nicht mit Ruhm bekleckert hat, im Ausland nun ein tolles Bild abgibt. Im Heimatland der Ab-zu-schiebenden als auch mitfliegenden Passagieren. Wo haben die noch überall und wie Ihre Griffel drin?

  • G
    Gnarv

    @SchmidtGeorg: na klar, DU hättest dir sicherlich als einzig konsequenter mensch auf der erde gleich für 300€ ein ticket gekauft, nur damit du im flieger protestieren kannst. schwachsinn.

    genauso wie unser pseudo asylrecht. wenn sie schon niemanden reinlassen wollen, sollen sie das auch bitte ehrlich sagen.

  • J
    JürgenG

    @Schmidt Georg:

    Sie meinen, diese menschenverachtende Abschiebung eines verletzten und eingeschüchterten Mannes hätte doch locker funktionieren können ohne die Einmischung der "Protestierer"? Stimmt, genau darum geht es.

     

    Ich rate diesen Organisationen (ein Dank für ihre Arbeit) zu einem Spendenkonto, damit sie in Zukunft Tickets kaufen und einen der ihren mit an Bord gehen lassen können, denn so engagierte und selbstlose Menschen wie dieser junge Kanadier sind rar.

    Ich spende dann, versprochen.

  • R
    reorient

    Einerseits wird in Deutschland immer wieder der Mangel an Zivilcourage bemaengelt, andererseits werden diejenigen, die sie tatsaechlich an den Tag legen, nicht nur vom Staat nicht geschuetzt, sondern dafuer bestraft auf eine Weise, die existenzbedrohend ist. Deutschland scheint in punkto Menschenrechte, Demokratie und Zivilcourage rassante Rueckschritte zu machen. Ich finde es angsterweckend, wie ein einfacher Akt von Mitmenschlichkeit, der alltaeglich und selbstverstaendlich sein sollte, kriminalisiert und geahndet wird.

  • PS
    Peter Schwanen

    Die Moral der Geschichte:

     

    Jeder soll das Recht in die eigene Hand nehmen, ausser es passt ins linksgruene Welt, dann beruft man sich nachdruecklich und mit erhobenem Zeigefinger auf Rechtstaat und Rule of Law.

     

    Gelebte linke Doppelmoral.

  • TW
    tod weil er ohne Angst leben wollte

    Als Aageb 98 starb bei seiner Abschiebung, hatte er einen Helm auf dem Kopf, Mund verklebt, Hände und Füße am Flugsessel angebunden, Sicherheitsgurt natürlich auch noch, Beruhigungsspritze wirkte nicht so ganz, er war zu aufgeregt.

     

    Als er anfing zu zappeln, hat man trotz der ganzen Fesseln seinen Oberkörper nach vorne gedrückt auf ein Kissen, er gab Laute von sich, konnte aber wegen des Klebstreifens nicht wirklich schreien, er zappelte immer noch, aber irgendwann nicht mehr.

     

    Warum ist er gestorben ? Weil Menschen im Flieger saßen die das Drama gesehen und bemerkt haben, aber nicht den Mut das zu verhindern, die wollten nur in ihren Urlaub und auf der anderen Seite wollte man diesen Mann hier weg haben und erfolgreich abschieben.

     

    02.07.2013 14:04 UHR

    von Enam:

     

    Super, was Sie da von sich geben!!!

  • EI
    erst informieren bevor man sich darüber lustig macht

    Nein Hr. Schmidt Georg,

    Sie liegen völlig falsch !!

    Außerdem in dem Text steht nirgendwo, das der Mann nicht angeschnallt gewesen sei. Waren Sie in dem Flieger dabei ?

     

    Haben Sie Hr. Georg Schmidt solchen Abschüblingen schon mal in die Augen gesehen, welche Angst da ist, wenngleich Angst viele Gesichter /Hintergründe haben kann ???

     

    Diese "Flugblätter" wie Sie es nennen gibt es schon seit mindestens 15 Jahren durch Menschenrechtsorg. als Infoblatt, wenn der unbesorgte, nur an sich selbst denkende Mensch gerade auf dem Weg in den Urlaub ist und dabei mitbekommt, da läuft eine Abschiebung.

     

     

    Das ist auch richtig und sehr menschlich wie sich der Kanadier verhalten hat. Wie sich dann die Piloten verhalten haben ist ebenfalls richtig, weil Vorschrift. Es muss nur einer aufstehen und protestieren, dann ist Schluss mit Abschiebung.

     

    Außerdem, kein "Abschübling", wie unpersönlich das klingt, lässt sich freiwillig abschieben. Aus früheren Zeiten erinnere ich mich noch, das man die Abschüblinge mit Spritzen willig gemacht hat, bedeutet, sie sind gar nicht mehr fähig sich zu wehren.

     

    Wehren sie sich dennoch erinnere ich an den grausamen Erstickungstod der Afrikaners Aageb, bei seiner Abschiebung, ich glaube das war 98. Das war nicht der einzige Tote bei Abschiebungen.

     

    Es sitzen immer mindestens 2 Polizisten od. Grenzer ohne Uniformen neben einem in Handschellen gelegten Menschen, also auch nicht freiwillig. In Handschellen sitzt der Mensch dann bis die Abschiebung beendet ist.

     

    Oder Menschen die sich wehrten wurden auf den Bauch gelegt, Hände und Füße zusammen gefesselt, nennt sich Wippe, der liegt dann ganz hinten im Flieger auf dem Boden, natürlich mit "Beruhigungsspritzen", evtl. noch Sturzhelm, zu schreien hat er auch keine Chance und wartet bis der Flieger gestartet ist, damit die Abschiebung nicht "gestört" wie es wohl amtl. genannt wird, gestört wird wie es der Kanadier gemacht.

     

    So hat in diesem Fall der schwer Kranke Abschübling eine Chance nochmals untersucht zu werden, sollte er zu krank sein, darf keine Abschiebung stattfinden.

    Das nennt sich ermitteln ob der Kranke Abschiebungs tauglich ist.

     

    Ich kläre Sie gerne auf, das auch Asylsuchende Menschen sind und müssen auch so behandelt werden. MÜSSTEN

  • SG
    Schmidt Georg

    ich finds immer tool, wenn sich Leute über den Gesundheitszustand anderer Mitmenschen kümmern, die sie erst Minuten kennen-offensichtlich-und woran hat Sarrazin erkannt, dss der Mann krank oder verletzt war !??

  • M
    Martin

    Ich habe gerade auch das Interview mit F.-X. Sarrazin gelesen und gedacht: Wenn wir eine bessere Welt haben wollen, müssen wir dringend aufhören, diejenigen mit Strafe zu bedrohen, die sich für andere Menschen einsetzen die in einer offensichtlich schwächeren Position sind.

  • RB
    Rainer B.

    Abschiebehäftlinge befinden sich immer in einer psychischen Extremsituation, die jederzeit zu unkontrollierbaren Aktionen führen können.

    Zudem war der Mann auch körperlich verletzt.

    Verantwortungsvolle Flugkapitäne gehen ein solches Risiko nicht ein.

    Man sollte eher die Flugkapitäne zur Rechenschaft ziehen, die trotzdem Abschiebehäftlinge mitnehmen.

    Mir wäre als Fluggast nicht wohl dabei.

  • SG
    Schmidt Georg

    versteh ich nicht, der Mann sass ungefesselt und ohne Polizei im Flieger-wo ist jetzt das Problem ? es hat keiner randaliert und hätte der Kanadier nicht das Flugblatt bekommen, hät er keine Ahnung gehabt! die Protestierer machen sich schon leicht, Flugblätter verteilen und dann warten was passiert!

  • E
    Enam

    Endlich mal gute Nachrichten in den Nachrichten!

     

     

    Sarrazin verhindert Abschiebung eines verletzten Ausländers.