: Verwaltungsaktion „Besen“
■ Schwierzina überprüft die Vergangenheit von Mitarbeitern / Personelle Unterstützung aus West-Berlin in der Innenverwaltung / Krüger will Polizeihoheit
Ost-Berlin. Ein erstes großes Saubermachen im Ostberliner Verwaltungsapparat haben gestern der neue Oberbürgermeister von Ost-Berlin, Tino Schwierzina, und sein Stadtrat für Inneres, Thomas Krüger (SPD) in die Wege geleitet. Per „Dienstanweisung 1/90 des Oberbürgermeisters“ wurden alle Stellvertreter der bisherigen Magistratsmitglieder, alle Abteilungs- und Bereichsleiter dazu aufgefordert, bis gestern nachmittag um 15 Uhr schriftlich über ihre Vergangenheit Auskunft zu geben. Gefragt wurde nach dem beruflichen Werdegang, einer Beschreibung der bisherigen Tätigkeiten und einer genauen Aufstellung über Vorbildung und Qualifikation. Außerdem sollten die leitenden Mitarbeiter Vorstellungen über ihr künftiges Aufgabengebiet skizzieren. „Die schuldhafte Unterlassung der Abgabe der Unterlagen bei den zuständigen Stadträten führt zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ heißt es abschließend in dem Schreiben. „Über Pfingsten werden wir 300 bis 350 Leidensberichte studieren“, so Krüger über seine Wochenendbeschäftigung.
Krüger hatte zuvor seine Amtsübernahme als schwierig beschrieben, nur zwei Mitarbeiter seien zu sofortiger Loyalität bereit gewesen. Mit der Aktion will sich der neue Magistrat einerseits ein Bild über die Vergangenheit seiner Mitarbeiter machen - PDS-Mitgliedschaft sei kein Kriterium um jemand aus der Verwaltung auszuschließen. Andererseits soll dadurch das schwer angeschlagene Vertrauen der Bevölkerung wenigstens teilweise wiederhergestellt werden. „Wenn Leute nicht bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten, dann können wir auf ihre Mitarbeit verzichten“, kündigte Krüger an. Um bestehende und künftige Personalproblem zu bewältigen, ist man auf die Unterstützung der Westberliner Innenverwaltung angewiesen. Zum Stellvertreter Krügers wurde bereits ein Referatsleiter aus dem Hause Pätzold, Peter Haupt, ernannt. Fünf weitere Mitarbeiter Pätzolds sollen ab nächster Woche im Ostteil der Stadt arbeiten. Gleichzeitig, so Krüger, wolle man sich in Ost-Berlin nach geeigneten Mitarbeitern umschauen. Hauptziel der Politik, so Schwierzina, soll Bürgernähe sein; zu diesem Zweck soll in den nächsten Tagen das Hauptportal des Roten Rathauses wieder geöffnet werden, gleich am Eingang soll eine Bürgerberatungsstelle eingerichtet werden. In den nächsten Tagen gehe es vor allem darum, einen arbeitsfähigen Apparat zu organisieren.
Als Hauptaufgabe für den Bereich Inneres nannte Krüger das Bemühen darum, daß die Polizei unter die Hoheit des Magistrats gestellt wird. Bisher unterliegt die Ostberliner Polizei Innenministerium. Nächste Woche will sich Krüger mit Innenminister Diestel treffen, um den dringlichen Wunsch des Magistrats vorzutragen. Daneben soll die Auflösung der Stasi, in enger Absprache mit dem Innenminister, weiterbetrieben werden.
kd
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