piwik no script img

Vertreter einer neuen GenerationETA-Militärchef gefasst

Mikel Garikoitz Aspiazu alias "Txeroki" dirigierte wohl von Frankreich aus die Militär-Aktionen der ETA. Deren Mitglieder werden immer radikaler, immer jünger - und unerfahrener.

Maskierte Polizisten vor dem Gebäude, wo Txeroki gefasst wurde. Bild: dpa

Er wurde von der spanischen Polizei gesucht wie kein anderer. Jetzt ging ETA-Militärchef Mikel Garikoitz Aspiazu alias "Txeroki" den Ermittlern in die Fänge. Der 35-jährige baskische Separatist wurde in einer gemeinsamen Aktion der französischen Gendarmerie und der spanischen Guardia Civil in der Nacht zum Montag in Cauterets in den südfranzösischen Pyrenäen im Schlaf überrascht. Seine ebenfalls verhaftete Begleiterin wurde bis Redaktionsschluss noch nicht identifiziert. Die beiden hatten vor einer Woche eine Wohnung in dem 30 Kilometer von Lourdes entfernten Ort gemietet, in der sie auch verhaftet wurden. Beide waren bewaffnet. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Verhafteten nach Spanien ausgeliefert werden", erklärte die französische Innenministerin Michèle Alliot-Marie.

Die Ermittlungsrichter an der Madrider Audiencia Nacional, dem obersten spanischen Strafgerichtshof, warten bereits. Der 1973 in der baskischen Stadt Bilbao geborene Txeroki steht seit 2002 ganz oben auf der Fahndungsliste der spanischen Polizei. Er gilt als wichtigster Vertreter des harten Kerns der ETA.

Bereits während des 14-monatigen Waffenstillstandes, den die ETA am 24. März 2006 ausrief, baute der seit 2002 in Frankreich untergetauchte Txeroki neue militärische Strukturen auf. Als die Verhandlungen mit der spanischen Regierung ins Stocken gerieten, war Txerokis Chance gekommen. Sein Flügel setzte sich gegen ältere und gemäßigtere Führungsmitglieder rund um den flüchtigen ehemaligen Basken-Parlamentarier Josu Ternera durch. Zum Jahresende 2006 zündete die ETA eine Autobombe in einem Parkhaus im Madrider Flughafen. Das Gebäude wurde völlig zerstört. Zwei Menschen verloren dabei das Leben.

Seit 2001 im bewaffneten Untergrund: Mikel Garikoitz Aspiazu. Bild: dpa

Als die ETA im Juni 2007 die Waffenruhe aussetzte und den Dialog mit der Regierung endgültig abbrach, schickte der Militärchef seine Pistoleros aus. Den ersten schweren Anschlag verübten die Separatisten nur wenige Tage vor der Parlamentswahl im März 2008. Ein ehemaliger Gemeinderat der sozialistischen Partei von Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero wurde in seinem baskischen Heimatort Mondragón erschossen. Bomben auf Urlaubsziele und auf öffentliche Einrichtungen folgten in den kommenden Monaten. Im Dezember 2007 wurden in Südfrankreich zwei Beamte der spanischen Guardia Civil auf einem Parkplatz ermordet. Txeroki, heißt es in Ermittlungen, soll in den vergangenen Monaten damit geprahlt haben, höchstpersönlich abgedrückt zu haben.

Txeroki ist der Vertreter einer neuen ETA-Generation. Wie die meisten heutigen Mitglieder der bewaffneten Separatistenorganisation stammt der 35-jährige aus der Kale Borroka. So heißt der Straßenkampf radikalisierter Jugendlicher, die mit Brandsätzen Anschläge gegen nichtnationalistische Basken verüben und gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei suchen.

Im Jahr 2001 machte Txeroki dann den Schritt in den bewaffneten Untergrund. Als Mitglied des "Comando Bizkaia", einer ETA-Zelle in der Region rund um die Baskenmetropole Bilbao, soll er an einem tödlichen Anschlag gegen einen Richter beteiligt gewesen sein. 2002 flüchtete er nach Südfrankreich. Sein Aufstieg innerhalb der ETA-Befehlsstrukturen begann.

"Die Verhaftung ist ein wichtiger Fortschritt", der helfen wird, "Leben zu retten", erklärte gestern Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero. Doch die Hoffnungen, dass die ETA durch die Verhaftungen des Falken Txeroki wieder den politischen Dialog suchen könnte, dürften enttäuscht werden. Bereits wenige Stunden nach der Verhaftung gingen in den spanischen Medien die Spekulationen los, wer Txeroki an der Spitze des Militärapparats der ETA ersetzten wird.

Alles deutet auf Aitzol Iriondo Yarza alias "Gurbita" hin. Gurbita soll noch härter sein als Txeroki. Der ebenfalls 2002 nach Frankreich geflüchtete Etarra gehörte einer Unterstützergruppe des Comando Donosti in der baskischen Stadt San Sebastian an. Auch er kommt aus der Kale Borroka.

Im Gegensatz zu Txeroki wird er nicht nur in Spanien gesucht, sondern auch in Frankreich. Dort wurde Gurbita zweimal in Abwesenheit zu insgesamt 6 Jahren Haft verurteilt. Auch Aitzol Iriondo Yarza soll am Mord an den beiden spanischen Polizisten vergangenen Dezember in Frankreich beteiligt gewesen sein. Jetzt wartet Spanien auf die Reaktion der ETA in Form eines Anschlages.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • C
    crisanta

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    Estimado Reiner:

    Es una suerte que nos informes con tanta precisión sobre lo que pasa en Espana. Los artículos de ETA -además de otros- los utilizamos en clase y los traducimos. Gracias.

     

    Otra cosa, por qué es tan difícil encontrar en los demás periódicos alemanes noticias relacionadas con las actividades de ETA, por ejemplo, el plan Epervier, a raíz de lo ocurrido en Lozère con un gendarme?

     

    Enhorabuena y saludos muy cordiales

  • Z
    zubieta

    wer den konflikt einmal quer lesen möchte, dem/ der empfehle ich Raul Zelik's Roman: Der bewaffnete Freund. Blumenbar.

     

    habe selten so reflektierte, gewitzte prosa über die fallstricke der basken situation gelesen.

     

    der taz artikel gibt lediglich die spanische terrorlyrik wieder und verkennt den antikapitalistischen freiheitskampf.