Vertrag nur geschwärzt veröffentlicht: Bahnhofs-Deal im Dunkeln
Nach dem Elbphilharmonie-Debakel hat Hamburg mehr Transparenz versprochen. Beim Fernbahnhof am Diebsteich zeigt sich: Das war eine Worthülse.
So richtig schlau wird man trotzdem nicht draus, denn viele Passagen, teils ganze Seiten, sind geschwärzt. Geheim bleibt etwa der Kaufpreis. Dabei wäre es für die Öffentlichkeit durchaus interessant, wie viel Geld der Investor der Stadt für das Premium-Grundstück zahlt.
Gegen die Schwärzungen hat jetzt ein Hamburger Widerspruch eingelegt. Rückendeckung bekommt er vom Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar. In einem Schreiben an den zuständigen Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG), das der taz vorliegt, kritisiert Caspar das Vorgehen der Behörde.
Datenschützer moniert „extensive“ Schwärzungen
Die Schwärzungen wirkten insgesamt „extensiv“, schreibt er. Es entstünde außerdem der Eindruck, dass vor allem die Kernelemente des Vertrags unkenntlich gemacht worden seien. Unklar bleibe etwa, welche Gegenleistung die Stadt für das Grundstück bekomme und wozu sie sich im Gegenzug verpflichtet habe.
In solchen Verträgen dürfe nur punktuell geschwärzt werden und Maßstab sei das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, „welches bei einem Projekt wie dem vorliegenden und den negativen Erfahrungen der Hamburgerinnen und Hamburger in der Vergangenheit mit der Elbphilharmonie einen nicht unerheblichen Einfluss haben dürfte“, so Caspar weiter.
Die Finanzbehörde weist die Vorwürfe zurück. Laut Behördensprecher Christopher Harms wurden nur Passagen geschwärzt, die personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthielten. Darunter „fallen unter anderem sämtliche Kaufpreise beziehungsweise die gesamten wirtschaftlichen Konditionen des Projektes, da diesen eine interne Kalkulation zu Grunde liegt“.
Schützenswert seien deshalb auch Vertragsinformationen, die unmittelbare Rückschlüsse auf die Kalkulation des Kaufpreises zulassen würden. Geschwärzt wurde, wo die Wettbewerbsposition des Vertragsschließenden gefährdet sei, sagt Harms.
Geschützt werden sollen demnach also vornehmlich die Betriebsgeheimnisse sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Käufers, der Proha Altona. Das Joint-Venture aus der Procom Invest und der Haspa Projektentwicklungs- und Baubeteiligungsgesellschaft hatte im Herbst 2017 den Zuschlag der Stadt für die Entwicklung des rund 5.500 Quadratmeter großen Areals am Diebsteich erhalten.
Investor besteht gar nicht auf Geheimhaltung
Procom-Geschäftsführer Dennis Barth sieht Fragen nach preislichen Kalkulationen seines Unternehmens jedoch gelassen entgegen. Der Wunsch nach Transparenz sei „legitim und verständlich“, die Procom als Teil der Proha Altona sei aber „zur Verschwiegenheit verpflichtet“. Sein Herz, sagt Barth, hänge nicht an der Geheimhaltung der finanziellen Details, dies liege im Ermessen der Stadt. Außerdem sei das alles ohnehin nur halb so wild: „Wenn die Zahl bekannt werden sollte, bin ich sicher, dass es kein öffentliches Raunen geben wird.“
Ob das wirklich so ist, bleibt erst mal ungewiss, bis auf Weiteres bleibt diese Zahl im Dunkeln. Trotzdem ist Bewegung in die Sache gekommen. Anjes Tjarks von den Grünen sagt, dass dem 2014 gestarteten Transparenzportal, das im Zuge des 2012 verabschiedeten Hamburgischen Transparenzgesetzes ins Leben gerufen wurde, vor allem bei Vertragsvorgängen gesetzliche Grenzen gesetzt seien.
„Ob in diesem Fall jede Schwärzung gerechtfertigt ist, sollte vor dem Hintergrund der Äußerungen von Herrn Caspar noch einmal geprüft werden“, sagt Tjarks. Auch Behördensprecher Harms sagt, „der LIG prüft nun die Anmerkungen des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit“. Im Anschluss werde der Widerspruch gegen die Schwärzungen geprüft.
Sollte der Landesbetrieb den Widerspruch des Hamburgers gegen die Schwärzungen abweisen, wird es wohl zu einer Verpflichtungsklage gegen die Stadt kommen. Denn bei Ablehnung des Widerspruchsverfahren werde er „den Klageweg in jeder möglichen Variante beschreiten“, sagt er der taz. Der Weg zu einer solchen Klage, mit der ein abgelehnter oder unterlassener Verwaltungsakt eingefordert werden kann, ist laut Datenschutzmann Caspar in diesem Fall zulässig.
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