Versicherung will Kosten sparen: Arztbesuch per Webcam

Auf Hawaii können Bewohner entlegener Inseln künftig über Video und Chat Kontakt mit ihrem Arzt aufnehmen. 10 Minuten-Termine sind genauso möglich wie die digitale Erteilung von Rezepten.

Patientengespräche gib's auf Hawaii bald auch per Internet. Bild: ap

Hawaii, der westliche Bundesstaat der USA, gilt als Urlaubsparadies: Die Inselkette vulkanischen Ursprungs mitten im Pazifik erstreckt sich über hunderte kleinere und größere Landbesitzungen mit einer Gesamtausdehnung von fast 2500 Kilometern. Das Wetter ist auf Maui, Kauai oder der Hauptinsel Hawaii oft sehr angenehm, was zahllose Touristen anzieht. Die Ausdehnung des mit Natur reich gesegneten Bundesstaates ergibt allerdings auch Probleme für die Bevölkerung: Die Gesundheitsversorgung ist nicht leicht herzustellen, weil sich die Einwohnerschaft über einen derart großen Bereich ausdehnt. Patienten und Ärzte benötigen weite Anreisewege, was der Langzeitversorgung wenig dienlich ist.

Der größte Versicherungskonzern der Insel, die Hawaii Medical Service Association (HMSA), will die Schwierigkeiten nun durch die Verwendung moderner Technologien abmildern. Zusammen mit dem Web-Gesundheitsdienstleister "American Well" will man ab Mitte Januar ein breites Online-Telemedizin-Projekt starten, das in seinem Ausmaß bislang einzigartig ist, berichtet die "New York Times" in dieser Woche. 700.000 Mitglieder der Versicherung können teilnehmen und jederzeit einen Allgemeinmediziner kontaktieren. Die Verbindung erfolgt per Sprachchat und Webcam, so dass der Arzt seinen Patienten und der Patient seinen Arzt sehen kann. Das Ganze soll verhältnismäßig günstig sein: 10 Dollar werden für 10 Minuten Konsultation von Versicherten verlangt, dauert der Vorgang länger, wird etwas mehr fällig. Menschen ohne Versicherung können ebenfalls teilnehmen, zahlen dann allerdings 45 Dollar. Der Arzt soll vorab Zugriff auf die Krankengeschichte der Patienten haben, die zuvor digitalisiert wurden. Auch kann er online gleich Rezepte ausstellen, die die Patienten dann bei teilnehmenden Apotheken einlösen können.

Kritiker fürchten allerdings, dass dem Arzt bei der schnellen Websitzung wichtige Symptome entgehen könnten - schließlich kann er den Patienten nicht untersuchen. Auch setze das Angebot zwingend eine Breitbandanbindung ans Internet voraus, die in ärmeren Haushalten nicht vorhanden ist. "Ich halte das für ein Werkzeug, das Ärzten erlaubt, bessere Arbeit zu leisten, ähnlich wie ein Stethoskop", meinte hingegen Familienarzt Robert Sussman gegenüber der "New York Times". Ein Doktor müsse auch per Web noch seinen Verstand und sein medizinisches Wissen einschalten. Sussman räumte allerdings ein, dass die Diagnose einer Virusinfektion oder einer Halsentzündung so kaum möglich wäre. In anderen Fällen, etwa bei älteren Personen, die ein neues Rezept brauchen, oder bei der Beratung frisch aus dem Krankenhaus zurückgekehrter Chirurgiepatienten, sei der Dienst jedoch nützlich. Er habe ihn selbst erfolgreich ausprobiert. Ein Arzt könne auch über eine Webcam feststellen, ob ein Baby mit Fieber lethargisch ist und in die Praxis muss oder nur ein wenig Ruhe braucht. "Das ist ein wenig so wie wenn man dem Patienten sagt: Nimm zwei Aspirin und rufe mich am Morgen noch einmal an. Wir können zwar nicht unsere Hand auflegen, aber unsere Augen."

Der Web-Service des Versicherers HMSA ist nur das jüngste Beispiel für die zunehmende Digitalisierung der Medizin in den USA. Internet-Riesen wie Google oder Microsoft sehen ein riesiges Potenzial und haben eigene Portale aufgebaut, in denen Patienten ihre Krankenakte samt aller Testergebnisse ablegen können. Ziel solcher Angebote ist es, zentrale Anlaufstellen für Ärzte zu schaffen, refinanziert werden sie entweder über Gebühren, die Patienten oder Versicherungen bezahlen, oder über die zunehmend lukrative Werbung für Medizinprodukte, die in den USA auch für verschreibungspflichtige Produkte erlaubt ist. Die Technologie ist unter Datenschützern umstritten, weil sie mögliche Sicherheitslücken in äußerst sensiblen Bereichen reißen könnte. Auch wird befürchtet, dass Online-Konzerne, die bereits jetzt viele Nutzerdaten wie etwa Suchanfragen in ihren Händen halten, nun auch derart sensible Informationen über Einzelpersonen in ihre Datenbanken bekommen.

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