: Versenken – nicht verrenken
Mehr vom Leben mit Yoga: Im klassischen Yoga werden mindestens fünf Lehren benannt. Heute findet man aber einige Dutzend Varianten. Die Übungen werden – anders als etwa bei Gymnastik – nach individueller Leistungsfähigkeit durchgeführt
von MARIA LESHER
Yogakurse gehören längst zum Standardangebot jeder Volkshochschule und eines jeden Gesundheitsparks. Hinter den vermeintlichen Verrenkungen stecken jedoch keine gymnastischen Übungen allein zur Körperdehnung. Die Basis-Lehren, zum Teil miteinander verwoben, sollten vielmehr Geist und Körper gleichermaßen wecken – und nicht zuletzt deren harmonische Verbindung fördern.
Yoga ist nicht mit Gymnastik zu vergleichen, bei der es vor allem darum geht, fit, geschmeidig und schlank zu werden. Dafür muss der Kreislauf mit Übungen, die mehrmals hintereinander nach Zählrhythmus ausgeführt werden, angeregt werden. Im Yoga dagegen ist die Wirkung auf die gesamte Person wichtig, nicht so sehr auf einzelne Bewegungsabläufe oder Körperteile. Die Übungen werden individuell, nicht nach einem vorgegebenen Zählrhythmus ausgeführt. Daher muss niemand ernstlich außer Atem kommen oder gar fürchterlich schwitzen.
Raja-Yoga
Eine der bedeutsamsten Yogalehren ist das Raja-Yoga, auch königliches Yoga genannt. Nach dem Philosophen Patanjali umfasst es acht Stufen, die zur Beherrschung der inneren Kräfte führen sollen. In der ersten Stufe, „Yama“, werden die sittlichen Gebote eingeübt, die im Wesentlichen den zehn christlichen Geboten entsprechen. In der zweiten Stufe, „Niyama“, gilt es, besondere Eigenschaften zu entwickeln, beispielsweise die Reinheit von Körper und Geist.
Das darauf folgende „Asana“ umfasst die Körperübungen des Yoga, die Wert auf die richtige Sitzhaltung legen. Der vierte Teil ist das „Pranayama“, das richtige Atmen, um die Lebenskraft zu stärken. Die fünfte Stufe schließlich, das „Pratyahara“, umfasst Übungen zur Konzentrationsfähigkeit, während die sechste Ebene „Dharana“ die höchstmögliche gedankliche Konzentration anstrebt. Dieser folgt die vorletzte: „Dhyana“, die Meditation.
Die achte und letzte Stufe des Königsyogas ist „Samadhi“, die Erleuchtung, die als göttliches Geschenk nicht willentlich zu erzwingen ist. Dieser achtgliedrige Rajaweg findet sich ganz oder teilweise in anderen Yogalehren wieder, etwa im Kundalini-Yoga oder Hatha-Yoga.
Kundalini-Yoga
Das Kundalini-Yoga geht davon aus, dass es im Menschen zwei Pole gibt: Den kühlen Kopf, Shiva genannt, und den warmen, lebendigen Bauchbereich, das Shakti. Kopf und Bauch müssen für das innere Gleichgewicht ständig Energien austauschen. Droht der Mensch einen dieser beiden Pole zu vernachlässigen, gerät er aus der Balance. Beim Kundalini werden Körper-, Atem-, und Meditationsübungen gelehrt, mit denen die Kundalini-Energie geweckt und ausgetauscht werden soll. Einige dieser Übungen waren in der ursprünglichen Lehre denen des Hatha-Yoga ähnlich.
Inzwischen aber haben sich die Kundalini-Übungen verändert. Sie werden in rascher Folge mehrmals hintereinander, sogar bis zur Erschöpfung ausgeübt. Zudem wird in Kundalini-Kursen mehr meditiert.
Hatha-Yoga
Der Begriff „Hatha“ ist eine Zusammensetzung der altindischen Sanskrit-Wörter Ha (Sonne) und Tha (Mond). Diese beiden Teile symbolisieren ähnlich wie das chinesische Ying und Yang die beiden einander entgegengesetzten, jedoch stets zusammenwirkenden Energieströme, die nach der fernöstlichen Lehre alles Lebendige durchdringen. Wie in den anderen Yoga-Lehren müssen diese Energien im Gleichgewicht sein. Diese Kräfte werden im Hatha-Yoga mit Teilen aus dem Raja-Yoga geweckt, hauptsächlich mit Körper, Atem- und Meditationsübungen. Im Hatha-Yoga allerdings steht die Arbeit am Körper an erster Stelle, da vorausgesetzt wird, dass Veränderungen am Körper zuerst wahrgenommen werden. Das Hatha-Yoga kennt 84 Hauptübungen, die den Körper von Störungen befreien und die Energie zwischen Sonne und Mond fließen lassen sollen. Diese stärkere Ausrichtung auf den Körper ist sicherlich einer der Gründe, warum Hatha-Yoga in der westlichen Welt das am meisten praktizierte Yoga ist.
Viniyoga
Viniyoga ist eine moderne Form des Yogas, wenn es sich auch auf die alten Traditionen beruft. Viniyoga ist am einfachsten daran zu erkennen, dass der Unterricht den individuellen Möglichkeiten, Bedürfnissen und Bedingungen der Teilnehmer angepasst wird.
Beim Üben geht es nicht darum, sich in möglichst schwierige Positionen zu zwingen. Es wird vielmehr versucht, eine besondere Verbindung von Körperhaltung, Atembewegung und Achtsamkeit herzustellen. Das Viniyoga versteht sich als offener Weg zu mehr Gesundheit und innerer Ausgeglichenheit, frei von religiösen Dogmen. Im Mittelpunkt des Unterrichts stehen die Fragen und die Erfahrungen der Teilnehmer, nicht Glaubensgrundsätze.
Yoga kann – wie jede Sportart – zu körperlichen Beschwerden führen. Wer vorhandene Gesundheitsstörungen negiert, die eigenen Grenzen im falsch verstandenen Leistungswillen missachtet oder ohne kompetente Anleitung zu üben versucht, kann Schäden davontragen. Sicherheitshalber sollte daher der Besuch eines Yogakurses vorab mit dem Hausarzt geklärt werden. Der weiß auch, ob eine der Krankenkassen die Kosten für einen Yogakurs übernimmt.