■ Scheibengericht: Verschiedene
The Music in my Head (Stern's)
Nicht wie üblich der Soundtrack zum Film, sondern die Platte zum Buch: „The Music in my head“ begleitet den gleichnamigen, bisher nur in England erschienenen Roman des britischen Musikjournalisten Mark Hudson. Als Schlüsselroman zu Afropop und Weltmusik- Wahn gedacht, folgt die Story den Spuren der nicht sonderlich sympathischen Hauptfigur Andrew „Litch“ Lichtfeld – eine Mischung aus Abenteurer, A&R-Mann und Produzent in einer Person – durch die fiktive Metropole „N'Galam“, Chiffre für Dakar. Dort will der Protagonist den berühmten, von ihm mit aufgebauten Star Sajar Jopp treffen – Ähnlichkeiten mit lebenden Personen (Youssou N'Dour u.a.) sind beabsichtigt.
Hatte der Autor mit seinem Buch eine bitterböse Abrechnung mit Gier und Größenwahn im Musikgeschäft im Sinn, so ist ihm die Kompilation zur herzerwärmenden Liebeserklärung an die Musik seines Lieblingskontinents geraten. Kostprobe? Die ersten drei Stücke: Eine 20 Jahre alte, aber immer noch elektrisierende Latin- Adaption von „Number One de Dakar“ – der ersten Band des Landes, in der jedes Gruppenmitglied einen Mercedes-Benz besaß –, ein erst 18jähriger, aber bereits unverwechselbarer Youssou N'Dour, der in höchsten Tönen seine Geliebte als süßen, kleinen Vogel besingt, sowie ein aktuelles Stück von Thione Seck, Nachfahre einer Griot- Dynastie und „Gentleman-Crooner des senegalesischen Songs“ – diese Aufzählung allein ist Musik in den Ohren eines jeden Afro- Aficionados. Enthalten sind Raritäten und Trouvaillen, ganz überwiegend aus dem frankophonen Westafrika, d.h. Gambia, Senegal und Mali, und aus der „Goldenen Zeit des afrikanischen Pop“, den siebziger und achtziger Jahren. Diese vergleicht Mark Hudson mit den Sixties im „Westen“ – eine Epoche, in der alles möglich schien und, im Zuge des postkolonialen Nationbuildings, in (west-)afrikanischen Nachtclubs und Nationalorchestern das faszinierende Experiment der „Afrikanisierung“ importierter, vornehmlich kubanischer Rhythmen einsetzte, in dessen Verlauf aufregend neue, hybride Musikstile aus der Taufe gehoben wurden. Wie zu hören ist.
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