Verscherbeln: Heuschrecke schon wieder auf Abflug
Nur 18 Monate nach dem Kauf von 23.000 Gewerkschaftswohnungen könnte sich der US-Finanzinvestor Cerberus wieder von der Investition trennen.
BERLIN taz Die Beziehung war eigentlich auf Dauer angelegt. Doch schon nach einem Sommer scheint Schluss zu sein: Cerberus Capital Management, einer der weltweit größten Finanzinvestoren, sucht nach einem Käufer für 23.000 Wohnungen der BauBeCon Immobilien aus Hannover. "Wir prüfen derzeit verschiedene Optionen für die Zukunft von BauBeCon. Der Verkauf ist eine davon", sagte Cerberus-Sprecher Hartmut Schulz am Dienstag der taz.
Das US-Beteiligungsunternehmen hatte die BauBeCon erst vor 18 Monaten von der Beteiligungsgesellschaft BGAG gekauft, die dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der IG Metall und Ver.di gehört. Cerberus hat nach Branchenkreisen damals mehr als eine Milliarde US-Dollar für die BauBeCon bezahlt. "Das Unternehmen hat erheblich mehr geboten als andere", sagte Bernd Stöver, Geschäftsführer beim Deutschen Mieterbund in Hannover. Offenbar zu viel, denn trotz großer Anstrengungen konnte Cerberus seine eigenen Renditeziele nicht erreichen, vermutet Stöver. Am schlechten Ertrag der Wohnungen habe es nicht gelegen, widerspricht Cerberus-Sprecher Schulz. "Wir wollen die BauBeCon als Immobilienplattform weiterentwickeln". Das Unternehmen sei mit dem jetzigen Wohnungsbestand dafür zu klein.
Hohe Renditen sind für die vielfältigen Aktivitäten von Cerberus die Schlüsselgröße. Zum Kerngeschäft des Private-Equity-Unternehmens gehört es, Firmen aus unterschiedlichen Branchen zu übernehmen und nach ein paar Jahren mit Gewinn weiterzuverkaufen. Zuletzt hat der amerikanische Investor den US-Autobauer Chrysler übernommen, davor die österreichische Gewerkschaftsbank OGB.
Ambitionierte Gewinnvorgabe der Private-Equity-Branche von mindestens 8 Prozent sind auf dem deutschen Wohnungsmarkt aber anscheinend kaum durchzusetzen. Cerberus, das in den letzten Jahren weitere 110.000 Wohnungen in Deutschland erworben hat, zieht als erster ausländischer Finanzanleger die Notbremse. Insgesamt haben ausländische Investoren in den letzten Jahren über 600.000 Wohnungen für mehr als 20 Milliarden Euro gekauft. Die Erwartungen, Gewinne durch steigende Mieten und Verkauf der Wohnungen an die Mieter zu machen, waren wohl zu hoch. Dabei hat Cerberus nach Angaben des Deutschen Mieterbundes auch in Hannover alles versucht, um die Erträge zu steigern: Filetstücke wurden verkauft und Mieten erhöht. "Anschließend hat Cerberus 10 Prozent der 576 Arbeitsstellen der BauBeCon gestrichen", sagt Bernd Stöver. In den letzten Wochen ging es den Hausmeistern ans Geld: Sie sollen auf 45 Prozent ihres Gehalts verzichten.
"Wenn man nach 18 Monaten so ein Unternehmen weiterverkauft, dann geht es schlicht ums Verscherbeln", sagte der SPD-Finanzexperte Ortwin Runde der taz. Noch im Frühjahr wollte die Bundesregierung alle kommunalen Wohnungen für Investitionen von Private-Equity-Firmen öffnen. Runde und andere Abgeordnete haben sich dafür eingesetzt, das zu verhindern. "Ich fühle mich durch das Handeln von Cerberus bestätigt", so Runde.
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