Verschärftes Bleiberecht in Österreich: Große Koalition fängt kleingeistig an
Österreichs neue Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) will das humanitäre Bleiberecht abschaffen und die Zuwanderung erschweren.
WIEN taz Das humanitäre Bleiberecht für abgewiesene Asylwerber soll in Österreich abgeschafft werden. Noch bevor am Dienstag die neue Regierung unter Bundeskanzler Werner Faymann, SPÖ, vereidigt wurde, enthüllte Innenministerin Maria Fekter, ÖVP, ihre Pläne. Wie ihre Vorgänger hat sie im Fremden- und Asylrecht vor allem Verschärfungen im Sinn.
Das Gewähren humanitären Bleiberechts ist ein Privileg des Innenministers. Fekter kann also nach Gutdünken davon Gebrauch machen. In der Praxis wurde es bisher vor allem Menschen zuteil, die aufgrund der Situation in ihrer Heimat nicht abgeschoben werden können. Aber auch besonders gut integrierte Familien, deren Verfahren ohne eigenes Verschulden unzumutbar in die Länge gezogen wurde, kamen bislang in den Genuss dieser Regelung.
Fekter beabsichtigt nun, die humanitären Erwägungen schon im Asylverfahren erster Instanz berücksichtigen zu lassen. Sie steht unter Zugzwang, da der Verfassungsgerichtshof im vergangenen Sommer entschied, die geltende Gesetzeslage widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das Bleiberecht dürfe kein reines Gnadenrecht bleiben, sondern müsse an Kriterien geknüpft sein, etwa Aufenthaltsdauer, Unbescholtenheit, Verankerung in Österreich oder Bindung an den Heimatstaat. Den Betroffenen sollte ein Antragsrecht und eine begründete Antwort zustehen.
Dass Fekter mit ihrem Vorschlag den Reparaturauftrag des Verfassungsgerichthofes erfüllt, wird von führenden Verfassungsrechtlern bezweifelt. Von den Parteien haben einzig die Grünen in diesem Sinne Kritik geübt. "Das humanitäre Aufenthaltsrecht in das bestehende Verfahren einzubauen, wie Fekter es jetzt wünscht, ist eine gefährliche Drohung", meint deren Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Denn es bedeute, dass Menschen mit faktischem Recht auf Aufenthalt kein legales Bleiberecht bekommen können. Grünen-Chefin Eva Glawischnig fordert vom neuen Bundeskanzler Faymann, der sich bisher aus der Debatte herausgehalten hat, eine klare Stellungnahme.
Zuwanderung, die ohnehin de facto nur über Familiennachzug möglich ist, soll weiter erschwert werden. Auch Ehepartner und Kinder sollen vor ihrer Einreise Deutschkenntnisse nachweisen müssen. Diskutieren mag Fekter ihre Vorschläge nicht: Zu einer Fernsehdebatte mit Menschenrechtlern am vergangenen Sonntag ging sie einfach nicht hin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten