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Versammlungen von AktiengesellschaftenDigital streitet es sich schlechter

Hauptversammlungen sollen weiter virtuell stattfinden dürfen, auch nach Auslaufen der aktuellen Regelung. Kleinak­tio­näre fürchten um ihre Rechte.

Entfällt bei der Online-Versammlung: Zwischenmahlzeit für Aktionäre Foto: Oberhäuser/imago

Berlin taz | Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften sollen weiterhin virtuell abgehalten werden dürfen. Ein erster detaillierter Vorschlag für die Umsetzung kommt aus dem Bundesjustizministerium in einem Re­fe­ren­t*in­nen­ent­wurf für eine Änderung des Aktiengesetzes. Die aktuelle Regelung zur Überbrückung der Coronapandemie läuft im August aus.

Die Ak­tio­nä­r*in­nen müssen laut Entwurf zustimmen, dass die Hauptversammlung virtuell stattfinden darf. Zudem soll ihnen ein Auskunfts-, Nachfrage- und Rederecht garantiert werden. Letzteres kann von der Verwaltung des Unternehmens auf eine bestimmte Zahl von Red­ne­r*in­nen oder einen bestimmten Zeitraum eingeschränkt werden.

Ebenso begrenzt ist das Recht, Entscheidungen bei technischen Störungen anzufechten. Das Ministerium berichtet, dass sich bei den digitalen Versammlungen der vergangenen Jahre die Zahl der anwesenden Ak­tio­nä­r*in­nen und die Qualität der Antworten verbessert habe.

Klein­ak­tio­närs­ver­tre­te­r*in­nen widersprechen dieser Einschätzung. Zahlen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zufolge ist 2021 die Anwesenheitsquote zurückgegangen. Die DSW und der Dachverband Kritische Ak­tio­nä­r*in­nen sind sich darüber hinaus einig, dass die Antwortqualität keineswegs gestiegen sei.

Klein­ak­tio­nä­r*in­nen sehen ihre Rechte beschnitten

Hauptversammlungen sind für Klein­ak­tio­nä­r*in­nen die einzige Möglichkeit, direkt mit der Führung von Unternehmen in Austausch zu treten. Die DSW zeigt sich daher vor allem über die Trennung von Rede- und Fragerecht besorgt. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass Fragen spätestens vier Tage vor der Hauptversammlung zu stellen sind. Und während der Redebeiträge sind keine Fragen erlaubt. Wenn ein Unternehmen seinen Quartalsbericht einen Tag vor der Versammlung veröffentlicht, besteht somit keine Möglichkeit, ihn zu hinterfragen.

Die Kritischen Ak­tio­nä­r*in­nen kritisieren zudem, dass Nachfragen gesondert beantwortet werden sollen. Bislang sei es üblich gewesen, dass bei Reden Fragen gestellt werden, auf die Vorstand und Aufsichtsrat sofort antworten. Die im Entwurf vorgesehene Regelung mache Antworten auf Fragen zu Stellungnahmen statt Teil eines Austausches. Außerdem stärke es vor allem Groß­ak­tio­nä­r*in­nen, das Auskunftsrecht auf das Vorfeld der Hauptversammlung zu verlegen, weil sie mehr Zeit und Ressourcen haben, sich im Vorhinein damit auseinanderzusetzen.

Allerdings sind die Akio­närs­schüt­ze­r*in­nen zuversichtlich, dass es Änderungen gibt, bevor das Gesetz den Bundestag passiert. „Wir können uns nicht vorstellen, dass der Referentenentwurf eins zu eins zum Regierungsentwurf wird“, berichtet Marc Tüngler von der DSW von seinen Gesprächen mit dem Ministerium.

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