Vermeintlicher Klitschko-Deepfake: Giffey-Gags und Ausreden
Dass Giffeys Gespräch mit dem falschen Klitschko ein Deepfake war, scheint immer unwahrscheinlicher. Das wirft Fragen auf.
In den sozialen Medien gab es danach unzählige Gags über Enkeltricks, Mails mit Millionenerbe und falsche Doktortitel. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz. Die Hintergründe sind ungeklärt, und von russischer Propaganda bis Satire ist vieles denkbar.
Während Giffey am Samstag von einem „Deepfake“-Gespräch und einem „Mittel der modernen Kriegsführung“ redete, gibt es Zweifel daran, ob der Betrug wirklich so raffiniert war, wie der Senat es darstellte. Als sogenanntes Deepfake werden in der Regel technisch aufwendige KI-gestützte Videomanipulationen bezeichnet.
Florian Gallwitz, Experte für Videoverarbeitung, sagte im Spiegel, dass Deepfakes noch fragil sowie kompliziert seien und die Ergebnisse oft wenig überzeugten – erst recht in Echtzeit. Ebenso veröffentlichte Investigativjournalist Daniel Laufer Indizien, die für simplere technische Tricks sprechen. Anhand von veröffentlichten Fotos des Gesprächs zeigt er, dass diese fast genauso aussehen wie ein Klitschko-Interview im April. Womöglich seien Schnipsel daraus zusammengeschnitten und manuell in Echtzeit aneinandergereiht worden, vermutet Laufer.
Anfrage nicht mit offiziellen Stellen in Kiew gegengecheckt
In Summe spricht mehr dafür, dass die Rede vom „Deepfake“ einfach darüber hinwegtäuschen soll, wie einfach es war, die Senatskanzlei auszutricksen. Umso deutlicher stellen sich sicherheitsrelevante Fragen: Die Mail mit der Gesprächsanfrage kam nicht von behördlichen Mail-Servern mit der Endung „gov.ua“, sondern von der Adresse „mayor.kyiv@ukr.net“, einem kommerziellen Anbieter, bei dem sich prinzipiell jeder anonym einen Account einrichten kann.
Der Senat macht geltend, dass seit Kriegsbeginn auch über solche Server kommuniziert werde. Dennoch bleibt unterm Strich, dass der Senat nicht mit offiziellen Stellen in Kiew gegengecheckt hat, ob die Gesprächsanfrage von Anfang Juni authentisch ist.
Ebenso hätte Giffey direkt bei Gesprächsbeginn misstrauisch werden müssen: Klitschko gab unter einem Vorwand an, auf Russisch mit Dolmetscher sprechen zu wollen – obwohl der weltberühmte Box-Champion bekanntermaßen Deutsch spricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen