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Verleihung der MTV Video Music AwardsDie pervertierte Blüte der Jugend

Britney Spears reloaded: Bei den MTV Video Music Awards hat's Miley Cyrus übertrieben. Auf der Bühne gab der einstige Engel eine Billig-Strip-Nummer.

Ach, Miley! Lern doch lieber von Kylie. Bild: reuters

Bei manchen Dingen möchte man die Augen schließen, um dem Gefühl der Peinlichkeit zu entgehen. Wenn dann aber doch der Voyeurismus siegt, starrt man fassungslos auf den Bildschirm und denkt: „Oh lieber Gott, bitte nicht.“

So muss es den meisten Zuschauern gegangen sein, als sie die als Hannah Montana bekannt gewordene Miley Cyrus bei den diesjährigen MTV Video Music Awards begafft haben. Fremdschämen, das sich mit Mitleid mischt. Nach dem Auftritt bleibt aber vielmehr die Frage, wer oder was dies Frau zu solch einer Performance drängt und warum sie es mit sich machen lässt.

Frauen, die die Zunge möchtegern-lasziv rausstrecken, sehen einfach nicht heiß aus. Sie sehen billig-willig aus. Das hat der 20-jährigen Miley Cyrus wohl noch niemand so direkt gesagt, denn sie tut es auf der Bühne die ganze Zeit. Als ob ihre roten Lippen nicht schon Signal genug wären.

Zu allem Überdruss hat sie einen knappen silberfarbenen Badeanzug an, dessen Comicaufdruck eine Reminiszenz an bessere, unschuldigere Tage sein könnte – würde der dargestellte Bär nicht auch seine Lippen lecken.

Während sie ihre Partysingle „We can't stop“ performt, beugt sie sich bei jeder Gelegenheit nach vorne, um ihren Hintern in die Höhe zu recken. Die Zeile „To my home girls here with the big butt // Shaking it like we at a strip club“ nimmt sie für sich offenbar wörtlich. Wenn's gerade passt, fasst sich sie an den Schritt – warum nicht, Jacko hat's ja auch gemacht.

Rihanna verzieht keine Miene

Die Blicke ihrer KollegInnen im Publikum sprechen Bände. Will Smiths Gattin hält sich entgeistert die Hand über den offenen Mund. Andere verziehen keine Mine. Zum Beispiel Rihanna, die sich auf die selbe Art und Weise vermarktet. Wer nicht durch Fähigkeiten glänzen kann, muss es stattdessen durch das Image: eine Krankheit der heutigen Zeit, die bei den allermeisten im kleinen Stil stattfindet. Bei Stars kann er auch groß ausgelebt werden, die Bühne dafür steht ja bereit.

Als „Blurred Lines“ von Robin Thicke anklingt, reißt sich Cyrus dann den Badeanzug vom Leib. Übrig bleibt ein hautfarbener Zweiteiler, der nur noch das bedeckt, was bedeckt werden muss. Thicke trällert sein Liedchen vor sich hin, während Cyrus total abgedreht dazu tanzt. Sie wirkt wie auf Drogen - Speed wahrscheinlich. Hoffentlich ist diese Mutmaßung falsch, denn ein Drogenopfer mehr, das aus dem Showbusiness stammt, braucht die Welt nicht.

Einer der wenigen Disney-Zöglinge, der den Boden unter den Füßen nicht verloren hat, ist Justin Timberlake. Er hat sich zu einer Größe entwickelt, die am Sonntag nach elf Jahren ganz nostalgisch wieder mit seiner Boyband 'N Sync auf der Bühne stand. Timberlake empfing an diesem Abend vier Auszeichnungen für seine Leistung. Es sei ihm gegönnt.

Seine frühere Beziehung mit „Jungfrau“ Britney Spears ist schon längst nicht mehr Gesprächsthema. Cyrus hingegen könnte die kleine Schwester von Spears sein: erst die Unschuld vom Lande, dann der völlige Imagewechsel zur übersexualisierten Partybestie. Das ist der Teufelskreis der kalkulierten Vermarktung, an der solche Frauen nach und nach zerbrechen. Und die Welt schaut schockiert zu, als ob sie nicht wüsste, was in ganz normalen Clubs am Wochenende so abgeht.

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11 Kommentare

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  • S
    Susanna

    Ich habe mir die Performance nach dem Lesen des Artikels angeschaut, das Schlimmste erwartet und war dann positiv überrascht.

    Mir kam das eher vor wie Punkrock, wie eine Persiflage auf eben Künstlerinnen wie Rihanna & Co.

    Das, was Miley gemacht hat, war ja wirklich nichtmal ein bisschen sexy.

    Das da manche entsetzt waren, ist doch klar, das ist der Effekt, den man erzielt, wenn man keine Angst hat, sich lächerlich zu machen, um etwas zu entlarven. Nein?

    Es ist doch so, dass durch diese ganze Verpornung im ansonsten megaprüden Amerika sehr genau festgelegt ist, wie sexuelle Grenzüberschreitung geht, also in etwa so: Mainstream-Porno auf die Bühne bringen, aber mit abgeklebten Brustwarzen und Mini-Slip im Schritt. Die Ästhetik ist also die, die den männlichen Markt bedient. Was Miley Cyrus da macht, hat damit überhaupt nichts zu tun. Das ist Anarchie. Ich fands gut.

  • Alles ein Fake!

  • J
    john

    tja, wer hat "dies Frau" nur dazu gebracht. Oder: wer hat "dies Frau" dazu gebracht, ihre Texte nicht korrekturzulesen?

     

    Ganz ehrlich, beim ersten Artikel hätte ich jetzt mehr Sorgfalt erwartet.

  • P
    PJSU

    "Frauen, die die Zunge möchtegern-lasziv rausstrecken, sehen einfach nicht heiß aus. Sie sehen billig-willig aus. Das hat der 20-jährigen Miley Cyrus wohl noch niemand so direkt gesagt, denn sie tut es auf der Bühne die ganze Zeit. Als ob ihre roten Lippen nicht schon Signal genug wären."

     

    "billig-willig"

     

    Dieser Artikel ist purer Sexismus. Schade, dass man so etwas in einer Zeitung wie der "taz" lesen muss, von der man eigentlich anderes erwarten könnte, wie bspw. eine kritische Reflexion des schon genannten "slut-shaming(s)"...Das, was hier abgeliefert wird, steht Hetz-Zeitungen wie der "Bild" in nichts nach.

  • B
    bnmh

    "Wer nicht durch Fähigkeiten glänzen kann, muss es stattdessen durch das Image: eine Krankheit der heutigen Zeit, die bei den allermeisten im kleinen Stil stattfindet."

    Wann war denn das goldene Zeitalter, wo es nicht so war?

  • B
    bzzzzzt

    Wow: so viel slut-shaming ("billig-willig")/ victim-blaming ("warum sie es mit sich machen lässt")/ concern trolling ("Hoffentlich ist diese Mutmaßung falsch...")... und dann im letzten Absatz der halbherzige Schwenk zu einer ansatzweisen Diskussion der Hintergrundmechanismen und des doppelten Standards, der an männliche vs. weibliche Popsternchen angelegt wird - und der im restlichen Artikel gnadenlos selbst durchgezogen wird (Unterstellung: wichtig ist, dass sie "heiß" wirkt, und zu verurteilen nicht der, der das wichtig findet, sondern die, die sich nicht darüber im Klaren ist, wie sie das erreicht). Eigentlich ist man von der taz Besseres gewohnt - schade!

    • IB
      INGE BORG
      @bzzzzzt:

      Aber ich weiß schon, das fällt sicher auch unter concern-trolling. So lässt sich mit nur ein paar rhetorischen Kniffen jede Form der Kritik unterdrücken, ob nun konstruktiv oder nicht spielt keine Rolle mehr, solange man nur das Gefühl der Macht genießen darf. Willkommen im Patriarchat

    • IB
      INGE BORG
      @bzzzzzt:

      @ BZZZZT

      Da mir deine Toleranz bezüglich der Auslegung soziologischer Begriffe unangebracht hoch erscheint, möchte ich dich gerade im Hinblick auf das Trolling auf deine scheinbar ganz persönliche Strategie zur Unterbindung unliebsamer Meinungen hinweisen. So wie sich die allgemeine Obrigkeit einer eigenen Herrschaftssprache bedient, so bedienst auch du dich einer Sprache, die Unverständnis voraussetzt, um wirken zu können. Die Anwendung der von dir genannten Begriffe ist schlichtes Wunschdenken und die Zitate nichts weiter als der Versuch, Kenntnis zu imitieren. Wenn der Concern-Troll einen Thread killt in dem er ein scheinbar sicheres Ziel durch Zweifel ins Wage zerrt, so bewirfst du den Autor so lange mit Halbwissen, bis es nun einfach zu anstrengend wird, zu erwidern. Wäre es bloß lächerlich und nicht gar schädlich, wenn einige die Früchten feministischer Diskurse missbrauchen um vermeintliches Unwissen zu torpedieren, statt zu erklären, kümmerte mich das Ganze keine Sekunde.

    • KS
      Kurt Spencer
      @bzzzzzt:

      Von deiner Unterstellungsunterstellung und Vorliebe für Anglizismus-Wortschöpfungen oder Urban Dictionary-Vokabeln mal abgesehen, unterstelle ich Dir einfach mal, dass du wohl einen besseren Artikel geschrieben hättest, was? Im Übrigen steht da "Bei manchen Dingen möchte man die Augen schließen, um dem Gefühl der Peinlichkeit zu entgehen. Wenn dann aber doch der Voyeurismus siegt, starrt man fassungslos auf den Bildschirm und denkt: „Oh lieber Gott, bitte nicht.“ Von demjenigen, der das wichtig findet, keine Spur. MC ist sehr wohl ein Opfer, die meißten Kinderstars sind nicht aus freien Stücken im Mickey Mouse Club gelandet und sind heute ausgelaugt durch die sich selbst vermarktende und oberflächliche Unterhaltungsindustrie. Dass Timberlake nicht daran zerbrochen ist, grenzt an ein Wunder. Gegenbeispiele gibt es zur Genüge. Was du da halbherzig nennst, füllt in der Soziologie und Philosophie unter dem Stichwort Kulturkritik ganze Bücher.

  • Unter diesem Aspekt wirkt die South Park Folge "Britneys neuer Look" (Staffel 12 Folge 2) noch gruseliger. Das haben die SP Macher schon 2008 vorhergesehen! Ja, ich weiß, South Park ist geschmacklos.

    • RM
      Randy M.
      @Frank Schürmann:

      Nein, die Welt ist geschmacklos, South Park ist eines der wenigen Medien, das dieser Realität Rechnung trägt.