Verleger Christoph Links über Anerkennung: "Vielleicht relativieren sich Phobien"
Der Berliner Verleger Christoph Links bekommt das Bundesverdienstkreuz. Vor gut 20 Jahren war sein Ch. Links Verlag eine der ersten privaten Neugründungen des Ostens.
taz: Herr Links, am Freitag bekommen Sie das Bundesverdienstkreuz verliehen. Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie davon erfahren haben?
Christoph Links: Ich war überrascht, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet hätte. Und eigentlich fühle ich mich mit 56 Jahren auch noch ein bisschen jung dafür. Ich dachte immer, die Auszeichnung bekommen ehrwürdige Herrschaften für ihr Lebenswerk. Ich weiß auch bis heute nicht, wer mich vorgeschlagen hat.
Wissen Sie denn, wofür Sie das Bundesverdienstkreuz bekommen?
Das weiß ich auch nicht. Aber es liegt natürlich nahe, dass es mit meiner verlegerisch-publizistischen Tätigkeit der letzten 20 Jahre zu tun hat.
In dem "Erlass über die Stiftung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland" von 1951 heißt es, dass das Bundesverdienstkreuz "eine Auszeichnung all derer bedeuten" soll, "deren Wirken zum friedlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland beiträgt". Fühlen Sie sich angesprochen?
Ja, schon. Wenn man diese Formulierung der alten Bundesrepublik kühn auf die neuen Verhältnisse übersetzt, ist das Thema der deutschen Einheit und der besonderen Problemlage der ostdeutschen Bundesländer ein Thema, das unseren Verlag und auch mich persönlich seit über 20 Jahren beschäftigt.
CHRISTOPH LINKS geboren 1954 in Caputh, ist Gründer des Christoph Links Verlags, Buchautor und Herausgeber und lebt in Berlin. Als Buchautor erschien zuletzt von ihm "Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen", Ch. Links Verlag, 2009.
Wie sehen Sie den momentanen Stand der Einheit?
Geglückt ist die Einheit sicher im politischen System. Sie ist aber ziemlich daneben gegangen im wirtschaftlichen Bereich. Im kulturell-mentalen Bereich ist sie noch auf einem mühsamen Weg. Wir haben im Herbst 2009 zu 20 Jahre friedliche Revolution einen Band heraus gebracht, der sich mit kreativen Projekten in Ostdeutschland beschäftigt, "Zukunft erfinden".
Ein siebenköpfiges Projektteam von Sozialwissenschaftlern war der Meinung, dass man nicht nur immer über Abwanderung und Defizite reden sollte, sondern auch mal zeigen, was an produktivem Aufbruch da ist, wie Leute in Gegenden, die eigentlich abgeschrieben sind, was auf die Beine stellen, ohne zu fragen, wer das fördert. Wir haben dazu auch eine Website gebaut, www.zukunft-ostdeutschland.de, und zwei Regionaltreffen organisiert, um die Akteure zusammenzubringen. Es gibt also Bemühungen vom Verlag aus, über das reine Büchermachen hinaus zivilgesellschaftlich etwas zu bewirken.
Ist der Osten erschöpfend behandelt oder ist nur ein Anfang gemacht?
Es gibt einige Leute, die sagen, die DDR sei ein überforschtes Thema, und es gebe bereits zu viele Publikationen. Das sehen wir hingegen keineswegs so.
Sondern?
Wir haben in den letzten zwei Jahrzehnten vor allen Dingen Herrschafts- und Unterdrückungsgeschichte in den Publikationen zu beobachten, viel Stasi, Grenze, Mauer, SED-Herrschaft. Da sind Alltagskultur und Sozialgeschichte ein bisschen zu kurz gekommen. Wir haben zudem die Situation, dass die fünf ostdeutschen Länder nicht aus eigener Kraft lebensfähig sind, sondern bis heute rund ein Drittel ihrer Haushalte durch Transferleistungen aus dem Westen finanziert bekommen. Diese sollen bis 2019 auf null gesenkt werden.
Wie der Osten aus eigener Kraft funktionieren soll, ist aber im Moment nicht abzusehen. Wir haben nach wie vor ein wirtschaftliches Problem mit nahezu doppelt so hoher Arbeitslosigkeit, anhaltender Abwanderung, und deutlich geringerer Kaufkraft. Deshalb kann man die Finger noch nicht von diesem Thema lassen.
Machen Sie Bücher über den Osten oder für den Osten?
Wie man an unseren Absätzen sieht, mehr über den Osten, denn drei Viertel unserer Verkäufe finden im Westen statt. Aber der Osten ist ja nur ein Segment unseres Programms. Der Verlag war entstanden, um endlich die Themen aufgreifen zu können, die bis dato verboten waren, und Journalisten und Wissenschaftlern ein Podium zu geben, die bis 1989 keine Veröffentlichungsmöglichkeiten hatten. Wir werden zwar als Verlag nach wie vor über die Ostthemen wahrgenommen, aber unser Programm ist längst viel breiter und größer. Man denke nur an unsere Länderporträts, die historischen Reiseführer und die Reihe zur deutschen Kolonialgeschichte. Allein mit Ostthemen könnten wir heute nicht mehr existieren.
Was ist ein typisches, ein "echtes" Links-Buch?
Das ist ein zeitgeschichtliches Sachbuch, das versucht, Hintergründe und historische Zusammenhänge auf gut verständliche Weise zu erklären. Mein persönlicher Wahlspruch lautet: Urteil braucht Sachkunde. Was mich nervt, sind schnell dahingeworfene Meinungen, die nicht wirklich sachkundig untersetzt sind, und dass jeder zu jedem eine Meinung hat, ohne ausreichend Wissen zu haben. Mich nervt auch in dieser schnellen Medienwelt, dass wir mit unendlich vielen kleinen Häppchen zugepflastert werden und viele Zusammenhänge im Nebel bleiben. Deshalb braucht es ein tiefer lotendes und erklärendes Sachbuch, das so geschrieben ist, dass es jeder versteht.
Vor einigen Jahren starb ein Kollege von Ihnen, Cheflektor des Aufbau Verlags, mit 44 Jahren an einem Herzinfarkt. Sie haben sich geschworen, Ihr Leben nicht von der Arbeit auffressen zu lassen. Haben Sie es geschafft, eine Stunde am Tag für sich zu haben?
Noch nicht ganz. Nach einem Zehnstundentag im Verlag bin ich abends immer noch zu Treffen und Veranstaltungen unterwegs. Was ich aber hinbekommen habe, sind die festen Auszeiten. Ich habe einen strukturierten Arbeitstag, bei dem ich nicht durch Überreizung verschlissen werde. Insofern gehts mir im Moment ganz gut.
Wenn Sie ein Buch machen könnten fern jeglicher Zwänge, was wäre das für eins?
Ich weiß ein halbes Dutzend, die ich sofort machen würde!
Welche denn?
Es gibt eine Reihe politisch wichtiger Bücher, für die es in der Regel nur 2.000, 2.500 Leser gibt, die nicht zur Kostendeckung ausreichen. Wir haben im Herbst ein Buch gemacht über die Kinder von verschwundenen Eltern in Argentinien. Es ist ein ganz ergreifendes, wichtiges Buch, gut übersetzt, auf der Frankfurter Buchmesse euphorisch vorgestellt, gut rezensiert, aber wir haben keine tausend Stück verkauft. Das ist ein Verlusttitel, bei dem man sich anschließend fragt, kann man so ferne Themen noch mal angehen?
Ich würde zum Beispiel gern in den Drogenkrieg von Mexiko reinleuchten. Defizite sehe ich auch noch bei der Kultur- und Sozialgeschichte der DDR. Wir haben im letzten Herbst beispielsweise einen literatursoziologischen Rückblick auf das Buchleseverhalten in der DDR angeboten bekommen, den es so noch nicht gibt. Es ist es eine lohnende Arbeit, die ich gern verlegen möchte. Aber dazu müssen wir erst die Finanzierung hinbekommen.
Glauben Sie, dass das Bundesverdienstkreuz da ein Türöffner sein kann?
Das glaube ich nicht (lacht). Das Einzige, was passieren könnte, wenn ein Mensch mit dem Namen Links ein Bundesverdienstteil bekommt, ist, dass sich einige Phobien, die immer noch existieren, vielleicht relativieren. Leute in bestimmten Institutionen sagen, sie wollen mit dem Links Verlag nichts zu tun haben. Seitdem es die Linkspartei gibt, hat das noch zugenommen und der eine oder andere vermutet einen Parteiverlag. Aber dass es ein Verlag ist, dessen Verleger so heißt und ein linkshändiger Schmied aus der Bukowina einst der Familie seinen Namen gab, kann ja keiner wissen. Wenn es hilft, das Igitt-Vorurteil von anderen zu revidieren, dann soll es mir recht sein.
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