Verkehrswende in Berlin: Debatte um Radwegestopp
Regierung spricht im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses von „ganz normalem Vorgang“. Opposition zweifelt an Rechtmäßigkeit der „Ausgabensperre“.
Vergangenen Freitag hatte Schreiner angekündigt, sämtliche laufenden Projekte für den Ausbau von Fahrradinfrastruktur überprüfen zu wollen, die einen Wegfall von Fahrstreifen oder Parkplätzen zur Folge hätten. Damit können zahlreiche Radwege, deren Planungen mehr oder weniger abgeschlossen sind, erstmal nicht realisiert werden. Auch ein bereits fertiger Radweg in Reinickendorf könnte nach Medienberichten betroffen sein, eine Frage danach beantwortete Stutz im Ausschuss am Mittwoch nicht.
In einer Mail von Schreiner an ein Bezirksamt, die am Mittwoch vom Tagesspiegel auf Twitter veröffentlicht wurde, schreibt sie, sämtliche Radwege-Projekte seien auszusetzen, die „den Wegfall von einem oder mehreren Fahrstreifen und/oder den Wegfall von Parkplätzen (der Wegfall eines Parkplatzes reicht schon aus) zur Folge haben“.
Die Opposition hatte dazu zahlreiche Fragen an die Verkehrsstaatssekretärin, die sie im Detail nicht beantwortete. So wollte André Schulze, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen-Fraktion, wissen, welche konkreten Projekte betroffen seien, ob die Verwaltung darüber mit den Bezirken gesprochen habe und wie viele bereits vom Bund bewilligten Mittel verlorengingen, wenn sie in diesem Jahr nicht abgerufen werden. Wie sein Parteikollege Zillich stellte auch Sebastian Schlüsselburg (Linke) schon die Rechtsgrundlage von Schreiners Anordnung in Frage. Die Radwege seien ein „fettgedruckter Haushaltstitel“ und hätten damit „Gesetzesrang“.
Dagegen betonte der CDU-Abgeordnete Christian Goiny, die geplante „Priorisierung hat auch zum Gegenstand, das Geld sinnvoll auszugeben“. Es habe in den letzten 5 Jahren „nachweislich“ unsinnige Radwege-Projekte gegeben. Als Beispiel nannte er die Kantstraße, wo es nun mehr Unfälle gebe als zuvor. Die Koalition wolle „mehr und vor allem sichere Radwege“, sekundierte Torsten Schneider (SPD). Er forderte einen Bericht, wie die bisher gebauten neuen Radwege „mit Unfallzahlen korrelieren“.
Stutz versprach, dies bis zum Beginn der Haushaltsverhandlungen zu liefern. Bis dahin werde sie sich auch den Überblick verschafft haben und mit der Priorisierung der Planungen fertig sein. „Wir kümmern uns mit Hochdruck“, sagte sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen