piwik no script img

Verkehrsausschuss kritisiert BahnMerkel stützt Mehdorn

Der Verkehrsausschuss ist unzufrieden mit der Informationspolitik der Bahn: Der Konzern spielt auf Zeit. Die Bundesregierung unterstützt ihn dabei.

Noch ist seine Zeit nicht abgelaufen: Bahnchef Hartmut Mehdorn. Bild: reuters

Eilig huschten die drei Vertreter der Deutschen Bahn am Mittwochmorgen durch die Hintertür in den Tagungssaal des Verkehrsausschusses. Der Korruptionsbeauftragte Wolfgang Schaupensteiner, Politikvorstand Otto Wiesheu und Sicherheitschef Jens Puls mussten sich unangenehmen Fragen der Abgeordneten zur Datenaffäre im Staatskonzern stellen. "Wortreich, räuspernd, verdruckst", aber ohne konkrete Informationen sei das Trio gewesen, ärgerte sich der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann hinterher.

Dabei hätte es weiterer Neuigkeiten gar nicht bedurft. Was aus dem einen Tag zuvor vorgelegten Zwischenbericht des Konzerns hervorgeht, ist bereits erschreckend genug. Erstmals räumt das Unternehmen auch strafrechtlich brisante Spähaktionen ein. In zwei Fällen wurde eine Detektei mit der Recherche von Kontobewegungsdaten von verdächtigen Bahnbeschäftigten beauftragt. Im Klartext: Die Schnüffler sollten irgendwie an Belege über Ein- und Auszahlungen oder Überweisungen kommen. Legal geht das nicht. Die Bahn kann nicht ausschließen, dass die Order aus dem Bahntower kam.

Vor dem Ausschuss gaben die Bahner darüber keine näheren Auskünfte. Aufklärung hätte womöglich der bisherige Leiter der Konzernrevision leisten können, der eigentlich auch geladen war. Doch einen Tag vor der Sitzung beurlaubte die Bahn den Manager Josef Bähr, der prompt fernblieb. Das brachte die Parlamentarier über die Parteigrenzen hinweg auf. Sie wollen nun Bähr und Bahn-Vorstandschef Hartmut Mehdorn in einer weiteren Sitzung vorladen.

Der Vorstand gibt sich weiter unwissend. Weder vom mehrfachen Abgleich der Daten von fast allen Beschäftigten und ausgewählten Führungskräften noch von den wohl illegalen Aktionen will Mehdorn etwas gewusst haben. Offenkundig fällt es dem Spitzenpersonal schwer, die Vorwürfe aufzuklären, weil sich dazu keine Unterlagen finden. Akten könnten bereinigt worden oder ganz verschwunden sein, räumt die Bahn ein. Der Konzern verlangt mehr Zeit. Die mittlerweile eingeschaltete Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG soll bei der Aufklärung helfen. Ein Endbericht soll bis zur Aufsichtsratssitzung Ende März vorliegen.

"Die Bahn ist nicht bereit aufzuklären", kritisiert Hermann den späten Termin. Dann weilt der Bundestag schon in den Osterferien, Mehdorn wäre also für längere Zeit aus der Schusslinie genommen. Hinhaltetaktik betreibt auch die Bundesregierung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warnt vor vorschnellen Urteilen. Zunächst müssten die Vorgänge lückenlos aufgeklärt werden.

Nach einem neuen Vorstandschef wird nach Angaben eines Regierungssprechers noch nicht gesucht. "Niemand will Mehdorn loswerden", sagte ein Unionspolitiker am Rande der Sitzung. Beide großen Parteien wollen den Posten erst nach der Wahl neu besetzen. Auch deshalb setzt das Kanzleramt bei der Erhellung der Datenaffäre auf Zeit. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) verlangt zwar schnelle Antworten, ist aber inzwischen selbst in die Kritik geraten. "Der markiert jetzt den brutalstmöglichen Aufklärer", kritisierte der FDP-Abgeordnete Patrick Döring. Tatsache sei aber, dass die Vorwürfe seit Juni 2008 bekannt waren, ohne dass der Minister die Aufklärung vorangetrieben habe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

9 Kommentare

 / 
  • S
    Steam-Punk

    @Martin, @Winfried Schneider:

    Mir ging's auch so. Aber wir können selbst was tun: Schaut mal unter www.campact.de nach. Dort gibt's die Mail-Aktion "ENTLASSEN SIE HERRN MEHDORN".

    Über 10.000 haben schon mitgemacht.

  • WS
    Winfried Schneider

    @Martin: Ganz genau so ging's auch mir!

  • BV
    Brian von Nazareth

    Wie tief muss man gesunken sein, um so ein Wichtelmännchen zu stützen? Was für Leichen muss man dafür im Kanzlerkeller haben?

  • ES
    E. Stopp

    Mehdorn muss weg !! Aber wie hier schon richtig bemerkt wurde, hat die Politik, insbesondere Frau Merkel und Her Tiefensee kein richtiges Interesse an der Ablöung Mehdorns. Ist die Politik erpressbar? Hat Mehdorn brisante Daten gegen Merkel, Tiefensee und andere im Safe ? Ist die Korruption ist schon so weit?

    Sicher ist hier die entscheidende Frage:

    Will man die Privatisierung noch ? Ja oder Nein?

    Das hängt ja dann auch sicher vom Ausgang der Wahlen ab. Die SPD ist ja ein Bischen gegen die Privatisierung- die CDU / CSU ( wie sollte es anders sein !! ) natürlich dafür. Ausverkauf der Republik !!

    Von der Frage, ob man nun die Privatisierung will oder nicht ist wohl auch abhängig, ob man Mehdorn noch will oder nicht.

    Denn Mehdorn ist für díe " Optimierung " der Zahlen zur Privatisierung sicher die richtige Person. Skrupel und Verantwortung für das Gemeinwohl kennt dieser Mensch sicher nicht.

     

    Mehdorn UND die Privatisierung müssen weg !!!

  • A
    ARE

    Nach den vielen Pannen, welche mit der Unternehmensführung von Herrn Mehdorn verbunden sind, interessiert es mich sehr, warum der Eigner, d.h. die Bundesregierung in Persona Frau Merkel "kein Interesse hat" diesen loszuwerden.

     

    Weiß dieser Mann zu viel? Hat dieser Mann der Bundesregierung geholfen an Stellen, die aufzudecken für diese sehr peinlich würde? Hat Mehdorn die Bundesregierung gar an einigen Stellen vor der geplanten Privatisierung über den Tisch gezogen? An den Leistungen kann es doch sicherlich nicht liegen, dass der Posten immer noch nicht zur Disposition steht.

     

    Gibt es keinen passenden Nachfolger? Hat Mehdorn das Umfeld so gut im Griff, dass potentielle Nachfolger "beseitigt" wurden bzw. erst gar nicht in Frage kommen? Wie kann es sein, dass für diesen interessanten, lukrativen Posten die besten Bewerber, die man sich vorstellen kann, nicht Schlange stehen?

     

    Wer (ver-)deckt wen/was? WAS GEHT DA VOR???????

  • VB
    Volker B.

    Im Grunde ist Mehdorn schon weg, der hält nur den Sessel warm bis nach der Wahl der Posten von einem CDU-Mann besetzt wird. Schließlich wollen die versorgt sein, wenn man weniger Sitze im Bundestag hat.

  • T
    Tanja

    Noch hätte Bahnchef Mehdorn die Chance nutzen können "ehrenvoll" bei vollem Pensionsanspruch und üblichen Sonderleistungen(Bundesweit für 29 Euro....)endlich seinen Hut zu nehmen. Die hat er wohl verpasst und statt dessen hüllt der Herr sich lieber in Schweigen.Er ist untragbar und verdient keine Unterstützung.!

  • G
    GonZoo

    Anders als mit einem mehr als innigen Verhältnis zwischen Mehdorn und Merkel kann man sich dieses unsägliche Schauspiel nicht mehr erklären. In jedem anderen Unternehmen hätten die Datenschutzskandale für den Rauswurf gereicht, und Mehdorns gegenwärtige Vertuschungsaktionen locker für einen zweiten.

  • M
    Martin

    Irgendwie ... auf den ersten Blick ... die Überschrift ... doch zu früh gefreut ... nur "stützt" ... nicht "stürzt".