Verirrte Friedensbewegung: Kein Schampus auf Gefallene
Die Berliner DFG-VK will sich beim nächsten Bundeswehr-Toten in Afghanistan am Ehrenmal betrinken. Das halten auch viele Kriegsgegner für eine sehr blöde Idee.
BERLIN taz | Die Militärgegner vom Berlin-Brandenburger Landesverband der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft) rufen dazu auf, den Tod von Bundeswehrsoldaten mit einem Glas Sekt in Berlin zu begehen. "Tag Y" heißt die Kampagne: Wenn der nächste deutsche Soldat in Afghanistan stirbt, soll, wer will, zum Feiern um 17.30 Uhr hinter den Bendlerblock kommen.
Das halten andere Friedensbewegte für gar keine gute Idee. "Ich finde die Kampagne, vorsichtig formuliert, unsäglich", sagt etwa Jürgen Rose vom Darmstädter Signal, in dem kriegskritische (Ex-)Bundeswehrangehörige organisiert sind. Er habe viel Respekt für die Arbeit der DFG-VK, aber durch den Aufruf werde "die Würde der Betroffenen in die Tonne getreten". Die DFG-VK ist die traditionsreichste deutsche Friedensorganisation. Sie geht auf die 1892 von der späteren Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner gegründete Deutsche Friedensgesellschaft zurück.
Paul Schäfer von der Linksfraktion im Bundestag findet den Tag Y "inakzeptabel". Nicht zuletzt führe solch eine Kampagne "zur Diskreditierung der Friedensbewegung". Eine andere Wirkung als "Negativskandalisierung und Misskredit wird dadurch nicht erreicht".
Der politische Geschäftsführer der DFG-VK auf Bundesebene, Monty Schädel, hält sich bedeckt. Die Aktion des Landesverbands habe auch in den eigenen Reihen "Diskussionen hervorgerufen". Von den unterschiedlichen Aktionsformen der DFG-VKK "ist das eine", so Schädel. Man wolle damit niemand besonderes erreichen. Die Arbeit der Friedensgesellschaft sei eben "nicht auf Zielgruppen ausgerichtet, sondern dient dem Ziel, das Soldatentum zu ächten."
Es sei wichtig, den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan den "Rückhalt zu nehmen", erklärt Landesverbands-Sprecher Günther Schütz. Auf ihrer Homepage, die sie zusammen mit dem Berliner Büro für antimilitaristische Maßnahmen betreiben, führen die Militärgegner jetzt genüsslich die "lustigsten Hassmails" von Soldaten und anderen Empörten auf.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags Reinhold Robbe hat nun das Verteidigungsministerium unter Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gebeten zu schauen, ob es nicht Anzeige erstatten wolle. Die Staatsanwaltschaft Berlin erklärt, sie habe bereits ein Verfahren eingeleitet um zu überprüfen, ob die Aktion strafbar ist.
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