Verhandlungen über Waffenruhe in Gaza: Rantasten an einen Ausweg
Rund 1.000 Menschen sind im Gazakrieg bislang bereits gestorben - nun scheint eine Waffenruhe zwischen Israel und Hamas näher zu rücken.
"Warten auf Kairo" heißt derzeit die Devise. Denn dort wird gerade ausgelotet, ob die Bedingungen der israelischen Regierung und der Hamas für einen Waffenstillstand zusammengebracht werden können. Letzter hoher diplomatischer Besuch: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der am Mittwoch sein Gewicht hinter die französisch-ägyptische Waffenstillstandsinitiative gebracht hat.
Ban Ki Moon forderte einen sofortigen Waffenstillstand, die Beendigung der israelischen Angriffe, den Stopp der Hamas-Raketen und die Öffnung aller Grenzen zum Gazastreifen. Anschließend setzte er seine Nahostreise fort, die ihn unter anderem nach Israel und Syrien führt. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist am Mittwochabend wieder in die Region aufgebrochen.
Im Gazakrieg sind bisher fast 1.000 Palästinenser und 13 Israelis ums Leben gekommen. Nabel der Nahostdiplomatie ist seit dem Wochenende Kairo, wo eine Hamas-Delegation mit dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes, Omar Suleiman, ihre Waffenstillstandsbedingungen debattiert. Ägyptische Quellen sprechen von ersten positiven Ergebnissen, ohne diese zu definieren. Die Hamas verlangt den Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen, die Aufhebung der seit 18 Monaten andauernden israelischen Wirtschaftsblockade und die Öffnung aller Grenzen. Israel verlangt, dass die Hamas den Raketenbeschuss von Israel stoppt und eine bessere Sicherung der ägyptischen Grenze zum Gazastreifen, um den Waffennachschub der Hamas abzuschneiden.
Den Ausgangspunkt des Konflikts definieren beide Seiten unterschiedlich. Nach israelischer Lesart haben die Hamas-Raketen den Krieg ausgelöst. Die palästinensische Seite argumentiert, dass der Konflikt mit der Wirtschaftsblockade begann. Die ägyptische Initiative versucht, beide Ansichten miteinander zu vereinen. Bisher hat die Hamas die ägyptische Waffenstillstandsinitiative nicht komplett abgelehnt, fordert aber Modifizierungen. "Der jetzige Vorschlag ist nicht akzeptabel", ließ Moussa Abu Marzouk, der zweite Mann der Hamas im syrischen Exil, verlauten.
Der ägyptische Unterhändler Suleiman zeigte sich zunächst nicht willens, weitere Forderungen der Hamas aufzunehmen. Die Hamas müsse die Initiative ohne weitere Modifizierungen akzeptieren oder sie werde für die Fortsetzung der israelischen Offensive in Gaza verantwortlich gemacht, lautete seine Botschaft.
Einer der Knackpunkte ist die Hamas-Forderung, dass sich die israelische Armee zuerst vollständig aus dem Gazastreifen zurückziehen müsse, bevor die Hamas-Waffen schweigen. Innerhalb der israelischen Regierung selbst scheint es Differenzen zu geben, wie es weitergehen soll. Während Premier Ehud Olmert hinter verschlossenen Türen für eine Ausweitung der Offensive plädiert, wollen seine Außenministerin Zipi Livni und Verteidigungsminister Ehud Barak abwarten, was die ägyptische Initiative ergibt. Unwahrscheinlich ist aber, dass sich Israel auf einen Abzug aus dem Gazastreifen als Waffenstillstandsbedingung einlässt. Wenn nach dem Rückzug eine einzige Hamas-Rakete gen Israel fliegt, könnte die Hamas einen Sieg feiern. Das ist das Dilemma, in dem die israelische Regierung steckt.
Den Schlüssel für Israels diplomatische Bemühungen stellt derzeit die Unterbrechung des Waffennachschubs der Hamas dar. So wird nach mehreren Verzögerungen nun doch Amos Gilad, der Berater des israelischen Verteidigungsministeriums, nach Kairo geschickt, um über eine bessere Sicherung der Grenze zu sprechen.
Ägypten lehnt bisher internationale Beobachter auf seinem Gebiet ab. Die Hamas hatte erklärt, dass sie internationale Beobachter im Gazastreifen als Besatzer ansehen würden. Diskutiert wird derzeit dennoch, ob vielleicht türkische Truppen hier eine Rolle spielen könnten. Etwas außerhalb des Rampenlichts hat der türkische Premier Erdogan seinen obersten außenpolitischen Berater Ahmet Davutoglu nach Damaskus geschickt, damit dieser dort Kontakt mit dem Hamas-Chef im Exil, Khaled Maschaal, aufnimmt.
Unterdessen haben sich die Kämpfe im Gazastreifen intensiviert. Die israelische Luftwaffe hatte in der Nacht zum Mittwoch über 60 Angriffe geflogen. Kampfjets und Hubschrauber nahmen Schmugglertunnel, aber auch einen Friedhof unter Feuer. Panzer schossen erneut auf Wohngebiete. Einwohner von Gaza-Stadt berichten von schweren Kämpfen zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der Hamas in den Außenbezirken der Stadt.
Aus dem Libanon wurden drei Raketen auf den Norden Israels abgefeuert. Die israelische Artillerie feuerte wenig später acht Granaten in das Gebiet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers